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Risikoforschung am Anfang, klare | Definitionen fehlen. | Warum die Pflicht zur Kennzeichnung so schwierig ist. | Wien. (apa) Fragt man ausgewiesene Experten in Sachen Nano-Technologie nach "Nano-Produkten auf dem Markt", erntet man gerne ein besorgtes Stirnrunzeln bis hin zum resignierenden Schulterzucken. Der Grund: Es gibt weder klare Definitionen noch Kennzeichnungspflichten, was als Nano-Produkt zu bezeichnen ist. Letztendlich ist der Konsument auf die Angaben des Herstellers angewiesen, erklärte dazu Ulrich Fiedeler vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Verwirrung und Unsinn sind Tür und Tor geöffnet.
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Viele Materialien ändern im Nanometer-Bereich (ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters) plötzlich ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften. Das bringt einerseits technologische Möglichkeiten, birgt aber auch Gefahren für Mensch und Umwelt. Daher wird auch immer wieder der Ruf nach einer Kennzeichnungspflicht für Nano-Produkte laut - zuletzt jener der Grünen Innovationssprecherin Michaela Sburny. Der Konsument sollte selbst entscheiden können, ob er sich einer möglichen und bisher unerforschten Gefahr aussetzt oder nicht.
Doch so einfach ist die Sache nicht, bestätigte auch Andre Gazso vom ITA. Nimmt man die Sache nämlich genau, müsste jedes Milchpackerl als Nano-Produkt deklariert werden, denn in der Milch sind durchaus Lipide - Fettkügelchen -, die eindeutig "nano" sind. "So sollte man schon einmal zwischen natürlichen und künstlichen (synthetischen) Nano-Partikeln unterscheiden", sagte Gazso. Aber auch bei bewusst zu einem Produkt zugesetzten Stoff ist die Situation nicht so einfach. So werden etwa Ketchup seit langem natürliche Nanosilikate zugesetzt, sie dienen als Fließmittel. Ein weiteres Beispiel ist Sonnencreme. Um diese durchsichtig und dennoch vor UV-Strahlung schützend zu machen, werden Titandioxid-Teilchen im Nano-Format eingesetzt.
Hersteller-Angaben
"Generell ist man derzeit bei der Deklaration von Nano-Produkten mangels Regelungen und auch effizienter Nachweismethoden ausschließlich auf die Angaben der Hersteller angewiesen", so Fiedeler. Dabei gibt es Fälle von Nicht-Deklarierung ebenso wie die Schmückung etwa einer Flasche herkömmlichen Reinigungsmittels mit dem Namen "Nano". Teilweise sind auch Halbwahrheiten im Spiel: Der Hersteller rührt sicherheitshalber irgend ein Nanopulver in sein Produkt, die eigentliche Wirkung - ob jetzt reinigend, versiegelnd oder was auch immer - erledigen aber herkömmliche Substanzen. Eine Zeit lang galt der Begriff "Nano" jedenfalls durchaus als fotogen und prangte deshalb auf diversen Etiketten.
Mittlerweile ist die Industrie allerdings ein wenig vorsichtiger geworden, berichtete Gazso. Man fürchtet eine ähnliche Entwicklung wie bei gentechnisch veränderten Produkten, sollte Nano allzu sehr gepusht werden und sich dann als gefährlich herausstellen. Noch weiß die Forschung wenig darüber, von welchen Nanopartikeln wirklich eine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht und von welchen nicht. Die Wissenschaft kratzt trotz zahlreicher Förderinitiativen erst an der Oberfläche, räumen auch renommierte Experten ein.
Gefahrenpotenzial
Einig ist man sich, dass ein Gefahrenpotenzial da ist, vereinzelt konnte es auch schon nachgewiesen werden. So weisen etwa Tierversuche auf das Potenzial von Nano-Partikeln hin, Entzündungen hervorzurufen. Auch können derart kleine Teilchen auch besonders leicht vom Körper aufgenommen und verteilt werden, sei es über die Lunge oder die Haut. Abwehrmechanismen wie das Immunsystem sind teilweise nicht in der Lage, auf die Winzlinge zu reagieren.
Auch in Sachen Umweltgefährdung mahnen Experten, dass etwa Silberpartikel im Nano-Bereich, die nachweislich keimtötend wirken, auch Auswirkungen auf ganze Lebensräume haben können. Bakterien sind nämlich nicht nur Krankheitserreger, sondern ein wichtiger Teil der Biologie. Wird etwa in einem Gewässer die Mikrobiologie gestört, hat das Auswirkungen auf den ganzen Lebensraum. Auch für Fische konnten bereits negative Wirkungen von Nano-Partikeln nachgewiesen werden, allerdings in sehr hohen Konzentrationen.