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Viel zu teuer für die Sonderklasse?

Von Stefan Melichar

Politik
In Privatkliniken erwartet Patienten eine Hotel-gleiche Unterbringung. Foto: photos.com

Private Spitäler bieten Luxus, öffentliche die kostspieligen Therapien. | Forderung nach mehr Transparenz. | Wien. Durch die jüngsten Reformpläne der Bundesregierung ist der Patient Gesundheitswesen wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. Auf der einen Seite steht das von knappen Mitteln geprägte öffentliche Gesundheitssystem, auf der anderen jedoch ein ungleich profitableres Zusammenspiel aus Zusatzversicherungen, Privatpatienten und Nobel-Spitälern. Dass Sonderklassepatienten für den Luxus einer Hotel-gleichen Unterbringung ohnehin mit saftigen Versicherungsprämien bezahlen, ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Zusatzversicherungen decken nämlich im Normalfall keine hohen Medikamentenkosten ab. In Ärztekreisen regt sich nun Unmut darüber, dass deshalb - so der Vorwurf - teure Therapien von Privatspitälern an öffentliche Krankenhäuser ausgelagert werden.


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Als Paradebeispiel gilt die Behandlung von Brustkrebspatienten mit dem Medikament Herceptin, das begleitend zur Chemotherapie verabreicht wird. Ein Behandlungszyklus dauert ungefähr ein Jahr. Mediziner rechnen mit Medikamentenkosten um die 40.000 Euro - Kosten, auf denen Privatspitäler weitgehend sitzen bleiben würden und die sie deshalb - so die Kritiker - oft nicht übernehmen.

"Rosinen herauspicken"

Für den betroffenen Sonderklassepatienten, der die Behandlung dringend braucht, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er kauft das Herceptin selbst in der Apotheke, was ihm noch teurer käme als dem Krankenhaus, da jenes im Normalfall Rabatte bekommt. Oder er lässt die Therapie in einem öffentlichen Spital durchführen. Die Kosten trägt dann - über Umwege - die Allgemeinheit (siehe Kasten). Dass Letzteres das gute Recht eines jeden Sozialversicherten ist, weiß auch Reinhard Krepler, Direktor des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH). Krepler zeigt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" prinzipiell Verständnis dafür, dass Privatspitäler aus ökonomischen Gründen kostspielige Therapien den öffentlichen Krankenhäusern überlassen. Allerdings müsse, so der AKH-Chef, dieses System transparent gemacht werden. Angesichts dessen sei es nämlich "nicht in Ordnung", wenn man den öffentlichen Spitälern ständig vorwerfe, schlechter zu wirtschaften als die privaten.

Deutlich weniger diplomatisch äußern sich andere Top-Mediziner: "Man kann sich nicht immer nur die Rosinen herauspicken", meint ein prominenter Wiener Spitalsarzt (Name der Redaktion bekannt) gleichermaßen in Richtung Privatkrankenhäuser wie auch Patienten.

Fragwürdige Praktiken

Patienten sollten von Versicherungsgesellschaften und Konsumentenschützern besser informiert werden, was die Zusatzversicherung beinhaltet und was nicht, meint der Arzt. Besonders fragwürdig scheint manchen Medizinern, wenn Privatspitäler zwar die Chemotherapie selbst durchführen, der Patient für die - um das Zehnfache teurere - Zusatzbehandlung mit Herceptin aber in die Tagesklinik eines öffentlichen Krankenhauses weitergeschickt wird - eine Vorgehensweise, die mehrere renommierte Ärzte gegenüber der "Wiener Zeitung" anprangern. Das öffentliche Spital muss dann nämlich nicht nur die vollen Medikamentenkosten tragen, sondern fällt auch noch um den Tagsatz der Zusatzversicherung um, der nur erstattet wird, wenn der Patient über Nacht im Spital bleibt.

Derartige Praktiken seien ihm nicht bekannt, entgegnet Martin Sack, Geschäftsführer des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreich. Die "Transferierungsrate" - wie sie aus der Verrechnung mit der Versicherung hervorgeht - liege unter 0,5 Prozent. Privatspitäler würden, so Sack, "erstklassige" Chemotherapien anbieten. Cornelia Böhm, Geschäftsführerin des Wiener Privatspitals "Goldenes Kreuz", legt Wert auf die Feststellung, dass so gut wie jeder Patient, der nach einer Brustkrebsoperation eine Behandlung mit Herceptin braucht, diese an ihrem Haus bekommt. 2007 habe das Goldene Kreuz 659.000 Euro für Herceptin-Therapien ausgegeben.

Monopole als Problem

Ein Mediziner sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ein weiteres Problem darin, dass Pharmafirmen langjährige Monopole auf Medikamente haben. Dadurch würde der Preis automatisch hoch gehalten. Ähnlich wie Herceptin könnte das Brustkrebsmittel Avastin, das sich langsam durchzusetzen beginnt, einen Run auf die öffentlichen Spitäler auslösen. "Da wird uns die nächste Lawine treffen", so der Arzt.