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Viel zu verlieren im globalen Kräftemessen

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Im Ukraine-Konflikt hätten wirtschaftliche Sanktionen weitreichende Folgen für Russland und für die EU. Für die USA, die ihre europäischen Verbündeten zu einer harten Linie drängen, steht derzeit aber wirtschaftlich wenig auf Spiel.


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Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine fühlt sich ein bisschen an wie Kalter Krieg. Sollte Moskau in den Donbass einmarschieren und sollten Sanktionen gegen Russland verhängt werden, hätte das weitreichende wirtschaftliche Folgen: vor allem für Russland, das sich aber schon seit Jahren darauf vorbereitet; mit Sicherheit für die EU - und kaum für die USA.

Sollte es also zu einer militärischen Eskalation kommen, drohen die EU und die USA mit einem Import-Stopp für Technologiegüter und dem Ausschluss Russlands aus der sogenannten "Society of Worldwide Interbank Financial Telecommunication", kurz Swift. Das ist das weltweit größte Finanz-Transfernetz, das von rund 11.000 Banken zur Abwicklung von Transaktionen genutzt wird. Außerdem fordern die USA auch eine Suspendierung der kürzlich fertiggestellten, aber noch nicht in Betrieb genommenen Gaspipeline Nord Stream 2, die Erdgas von Russland nach Deutschland befördern soll.

Auf Sanktionen eingestellt

Seit der Annexion der Krim 2014 ist Russland auf Sanktionen aus dem Westen eingestellt, sagt Vasily Astrow, Ökonom am Wiener Institut für Wirtschaftsvergleiche (wiiw). "Russland ist seit Jahren bemüht, die Abhängigkeit von internationalen Finanzmärkten zu reduzieren", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Fiskalpolitik ist auf Überschüsse ausgerichtet. Die Staatsverschuldung beträgt rund 16 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2021 wurde ersten Zahlen zufolge ein Budgetüberschuss erzielt. Die Handelsbilanz ist positiv, das Land exportiert dank großer Rohstoffreserven also in Summe mehr, als es importiert,

Zudem hat Moskau in den vergangenen Jahren große Währungsreserven angehäuft, nämlich im Umfang von 640 Milliarden US-Dollar oder fast 40 Prozent des BIP. "Die Strategie ist klar: die Abhängigkeit vom Westen reduzieren", meint Astrow. Und: Die EU hat als Handelspartner an Gewicht verloren. Gingen vor einigen Jahren noch die Hälfte der Exporte in die europäischen Länder, ist es heute nur noch ein Drittel. China hat hingegen als politischer und wirtschaftlicher Partner massiv an Bedeutung gewonnen. Unter anderem wollen Russland und China ein eigenes internationales Zahlungssystem etablieren, als Konkurrenz zu Swift.

Der Ausschluss aus Swift, und damit aus dem internationalen Zahlungsverkehr, hätte kurzfristig die wohl härtesten Auswirkungen auf russische Banken und international tätige Firmen. Im Extremfall könnten dann auch Gaslieferungen nicht mehr gezahlt werden. Das würde im Übrigen auch europäische Banken, etwa die Raiffeisen International, treffen, die dort tätig sind. Auch deshalb will die italienische Unicredit das eigentlich zugesagte Kaufangebot für die russische Bank Otkritie doch nicht legen.

Energie-Thema sehr heikel

Und dann ist da noch die Energiefrage. Während die USA auf ein Aussetzen von Nord Stream 2 pochen, sind sowohl Russland als auch die EU-Staaten darum bemüht, das Energiethema aus allen Drohgebärden und Sanktionsszenarien auszuklammern. Das liegt an der gegenseitigen Abhängigkeit vor allem beim Gas. Je nach Berechnungsmethode kommt ein Drittel bis die Hälfte des in Europa verbrauchten Gases aus Russland. Allein Österreich verbraucht jährlich laut E-Control 8 Millionen Kubikmeter Gas, rund zwei Drittel davon kommen aus Russland. Diese Abhängigkeit macht die EU-Staaten, besonders in Zeiten hoher Energiepreise, vulnerabel.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland den Gashahn bewusst zudreht", meint Astrow aber. Tatsächlich ist das bisher in über 50 Jahren russischer Gaslieferungen noch nie passiert. Die Gasexporte sind zu wichtig für die russischen Staatskassen. Wer jedenfalls von einem Aus für Nord Stream 2 und eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland profitieren könnte, sind die USA.

Die Vereinigten Staaten wollen ihrerseits mehr eigenes Schiefergas in die EU verkaufen, das mit Schiffen über den Atlantik angeliefert wird. Dieses ist aber deutlich teurer als das russische Gas, das über Pipelines in die EU kommt. Ob auch russische Ölexporte in die USA von möglichen Sanktionen betroffen wären, ist nicht ganz klar und wird derzeit auch nicht diskutiert. Russland ist mittlerweile der drittgrößte Erdöllieferant der USA.

Neben der Ukraine, die vor der realen Gefahr einer militärischen Invasion steht, steht vor allem für die EU - wirtschaftlich wie politisch - viel auf dem Spiel. Die EU kann den eigenen Gasbedarf bei weitem nicht selbst stemmen. Gleichzeitig werden erneuerbare Energieträger nicht schnell genug ausgebaut, um den steigenden Energieverbrauch zu decken.