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Viele Baustellen sind noch offen

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Morgen beginnt ein neues Jahr - die Probleme, vor denen die USA in aller Welt stehen, bleiben aber weitgehend dieselben. Einige werden aber vielleicht doch 2010 gelöst.


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Die Schlagzeilen vor dem Jahresende vermitteln das schaurige Gefühl, dass sich alles ständig wiederholt: Geplante Terrorattacken auf Flugzeuge, Angriffe auf Terror-Camps der Al Kaida, Fortsetzung des iranischen Atomprogramms, trotz all der Bemühungen seit fast zehn Jahren, es zu stoppen.

In denselben Fluss kann man nicht zweimal steigen, lehrt ein englisches Sprichwort. Auch die Geschichte ist immer in Bewegung, in Veränderung. Aber die Probleme, auf die die USA 2009 in der muslimischen Welt gestoßen sind, sitzen sehr tief und erweisen sich als äußerst widerspenstig und weit weniger leicht zugänglich, als die Regierung von US-Präsident Barack Obama gehofft hatte.

Als Trost könnte man sich vor Augen halten, dass die Anpassung des Islam an die moderne Welt immer noch viel weniger blutig verläuft als die Anpassung Europas im 19. und 20. Jahrhundert. Allzu tröstlich dürfte das auf die Menschen, die in langen Warteschlangen auf den Flughäfen ausharren müssen, allerdings nicht wirken.

Hier nur einige der Probleme, von denen ich hoffe, dass sie sich im nächsten Jahr etwas klären:

* Stehen die USA vor einem neuen Terror-Abwehrkampf im Jemen? Ja, wird die Antwort wohl sein, aber die US-Regierung hält sich bei ihren Angriffen auf die Al Kaida vernünftigerweise an das Stellvertreter-Modell - in diesem Fall die jemenitische Regierung. Das ist viel besser, als US-Truppen ins Land zu schicken. Die Zusammenarbeit mit dem Jemen ist jedoch alles andere als einfach. Das ist auch der Grund, warum aus den USA so wenig dazu zu hören ist. Am Ausbau des Unterstützungsprogramms für den jemenitischen Terror-Abwehrkampf wird jedoch fleißig gearbeitet.

Der Jemen ist aber auch noch der Schauplatz eines zweiten Stellvertreterkrieges, den die Saudis zusammen mit den jemenitischen Streitkräften gegen die vom Iran unterstützten Al-Houti-Rebellen entlang der Nordgrenze führen. Und auch hier wieder die vernunftbetonte Vorgangsweise der USA, andere in ihrem Kampf zu unterstützen, statt selbst einzugreifen.

* Wird es 2010 gelingen, das iranische Atomprogramm unter Kontrolle zu bringen? Eigentlich wäre der Zeitplan dafür schon jetzt mit dem Jahreswechsel ausgelaufen. Aber die US-Regierung hat sich entschlossen, die Tür für Gespräche doch noch nicht endgültig zu schließen. Obwohl all die diplomatischen Annäherungen auf Teheran bisher keinen großen Eindruck gemacht haben - sonst allerdings auch nichts. Also regt die US-Regierung nun türkische Vermittlungsversuche an, um doch noch einen Kompromiss zu finden. Auch US-Senator John Kerry sollte mit Billigung des Weißen Hauses in Teheran verhandeln, hat seinen Plan allerdings klugerweise ausgesetzt, seit die iranische Regierung wieder Demonstranten tötet.

Zeichnet sich ein Regimewechsel ab? Die Demonstrationen wecken diese Hoffnung, aber sie dürfte doch verfrüht sein. Irans Regime weitet den Unterdrückungsmechanismen aus, während die Opposition - ohne starke Führungsfigur - nicht zu organisierten, andauernden Proteste imstande ist.

* Wird die irakische Demokratie die große Erfolgsgeschichte 2010? Bei meinem letzten Besuch vor ein paar Wochen zeigten sich die Iraker auffallend politikinteressiert: Welche Partei liegt für die Wahlen im März gerade vorn? Wird der Innenminister oder vielleicht der Vizepräsident den amtierenden Premierminister Nouri al-Maliki ersetzen? Hier wird sorglos eine freie politische Debatte geführt wie sonst nirgendwo in der arabischen Welt.

Noch ein positives Zeichen gibt es für 2010: Das ständige Versagen der Al-Kaida-Ideologie. Wir haben da einen Feind, der noch mehr Fehler macht als wir.

Übersetzung: Redaktion