Der bayrische Grünen-Politiker und BayernLB-Aufdecker Sepp Dürr über schlechte Hypo-Entscheidungen, eine schlecht gelaufene Notverstaatlichung und gewissenlose Politiker.
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Wien. Die Hypo-Pleite hat einen tiefen Keil zwischen Österreich und Bayern getrieben. Mehr als fünf Milliarden Euro hat die frühere Hypo-Mutter, die Bayerische Landesbank, in der Hypo versenkt. Jahrelang haben Österreich und Bayern um 2,7 Milliarden Euro gestritten. Jetzt hat man sich auf einen Vergleich geeinigt. 2011 gab es auch in Bayern einen Untersuchungsausschuss zum Hypo-Kauf und dem teils kriminellen Treiben in der Kärntner Bank, aus der im Vorjahr die staatliche Bad Bank Heta hervorging.
Sepp Dürr, Abgeordneter der Grünen im bayrischen Landtag, war einer der Initiatoren dieses Ausschusses. Sein Fazit: Die Bayern hätten die Hypo niemals kaufen dürfen. Und: Nach allem, was passiert ist, kann man nicht den bayrischen und den österreichischen Steuerzahler gleichzeitig retten. Ein Gespräch mit dem "bayrischen Werner Kogler" über Organversagen auf allen Ebenen und über Grenzen hinweg.
"Wiener Zeitung": In Österreich läuft gerade ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Causa Hypo Alpe Adria. Einen solchen gab es auch 2011 in Bayern. Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Kärnten und Bayern?Sepp Dürr: Wenn ich in der Causa nach Kärnten sehe, dann entdecke ich einige Gemeinsamkeiten mit Bayern: das dilettantische Vorgehen der Politik, das Sich-Herauswinden aus Verantwortung, den Größenwahn bei beiden Banken (BayernLB und Hypo Alpe Adria, Anm.). In Kärnten hat man aber alles viel mehr auf die Spitze getrieben. Es wirkt auf mich wie eine Groteske dessen, was in Bayern passiert ist. Was mich auch schockiert, ist, dass die Partei, die das alles damals angezettelt hat (die FPÖ, Anm.), noch immer die Klappe aufreißt und so viel Zulauf hat.
Wie sieht der Hypo-Skandal aus bayrischer Sicht aus?
Man hat die Katze im Sack gekauft. Man wollte am Balkan unbedingt dabei sein. Aber man hat keine Sicherheiten verlangt oder Risiken bedacht. Die Bayerische Landesbank wollte - für sie haftet übrigens auch Bayern - zuerst die Bawag kaufen, ist da aber gescheitert. Die Hypo war die letzte Bank mit Balkangeschäften, die noch zu haben war. Das Motto war: Hauptsache, wir sind dabei. Man hätte sich aber überlegen müssen, warum diese Bank noch zu haben war. Die BayernLB hat rund vier Milliarden mit der Hypo versenkt.
Wie hoch ist denn der Schaden für den bayrischen Steuerzahler?
Die BayernLB hat allein mit dem Hypo-Alpe-Adria-Abenteuer mehr als fünf Milliarden Euro verloren, aber auch viel Geld mit zahlreichen anderen hochspekulativen Geschäften überall auf der Welt. Der Schaden für den bayrischen Steuerzahler beläuft sich heute schon auf mehr als zehn Milliarden, wird aber noch erheblich wachsen.
In Österreich wirft man der bayrischen Seite vor, dass sie beim Kauf 2007 genau wusste, wie schlecht es um die damalige Hypo stand, und deshalb Forderungen an die Republik nicht berechtigt sind.
Sagen wir es so: Man hätte es wissen müssen, dass die Bank etwa viel zu wenig Eigenkapital hatte, und genau nachprüfen müssen, statt die berühmte Katze im Sack zu kaufen. Ich glaube schon, dass die bayrische Seite zu wenig wusste, denn selbst dumme Banker hätten den Kaufpreis gedrückt und spätestens nach dem Kauf durchgegriffen. Niemand fährt absichtlich seine eigene Bank gegen die Wand. Und wenn ich schon so eine Bank kaufe, dann muss ich gleich danach mit der Restrukturierung beginnen. Das haben sie aber nicht gemacht, weil es ja auch das immense Wachstum gebremst hätte. Das Problem ist, dass hier nicht ein Hai zugebissen hat, sondern viele kleine Piranhas am Werk waren, von Bayern bis Kärnten.
Was genau hätte man denn wissen müssen?
Die Bank hätte spätestens im Herbst 2008 wissen müssen, dass sie die Hypo schnellstmöglich abstoßen muss, als Auflage der EU für die nötige Staatshilfe. Damals hat die BayernLB vom Freistaat eine Kapitalspritze von zehn Milliarden Euro benötigt, weil das Eigenkapital wegen ihrer Abenteuer in Kärnten und anderswo viel zu niedrig war. Unserer damaligen CSU-Regierung mache ich den Vorwurf, dass die Hypo nicht schnell genug abgestoßen wurde. Der zweite Vorwurf betrifft die strittigen 3,3 Milliarden Euro an Krediten, die die BayernLB der Hypo gewährt hat. Von Anfang an war die Hypo unterkapitalisiert. Jeder wusste damals, dass diese Bank nirgendwo einen Kredit mehr bekommen hätte.
Warum hat man da als neuer Eigentümer nicht härter durchgegriffen?
Mein Vorwurf ist: Sie wollten die Mängel vor Gier und Größenwahn nicht sehen.
Österreich und Bayern haben sich nun auf einen Vergleich in der Höhe von 1,23 Milliarden Euro geeinigt. Das sind rund 45 Prozent der deutschen Forderungen. Was halten Sie davon?
Jetzt ist es einmal wichtig, das Thema endlich abzuschließen. Ich muss aber ehrlich sagen: Ich habe mit dem österreichischen Staat kein Mitleid. Ich war, als ich damals in Österreich war, geschockt, wie wenig man sich in Wien für Kärnten interessiert hat und Jörg Haider da einfach walten ließ. Die Regierung hätte eingreifen müssen. Es gab ja auch genug kritische Berichte von der Nationalbank dazu, was alles in der Hypo schieflief, an Betrügereien, Geldwäsche, Schwarzgeld. Dass die Causa der Politik nun um die Ohren fliegt, finde ich nur fair. Das muss ihnen für die Zukunft eine Lehre sein.
Sie fliegt vor allem dem Steuerzahler um die Ohren. Die politisch handelnden Personen sind weg und auf anderen Posten gut versorgt.
Da haben Sie leider recht. Wir Grünen haben in Bayern von Anfang an darauf gedrungen, von den früheren Vorständen, aber auch den im Aufsichtsrat sitzenden Ministern wie Beckstein und Huber Schadenersatz wegen grober Fahrlässigkeit zu fordern. Bisher allerdings vergeblich.
Wie beurteilen Sie die Notverstaatlichung der Hypo im Jahr 2009?
Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. Die ganze Geschichte ist für die bayrische Seite sehr blamabel. Unsere Regierung war unfähig, mit der Fehlentscheidung, die Hypo zu kaufen, anständig umzugehen. Die Bank war kaputt, also schmeißt man sie wieder um einen symbolischen Euro Österreich zurück. Wissen Sie, dass rund um den Kauf der Hypo die kroatische Notenbank damals starke Bedenken wegen des Einstiegs der Bayern geäußert hat? Die Hypo hatte dort eine Tochterbank. Das Hauptmotiv war, dass die BayernLB schon früher, in den 1990ern, eine kleine kroatische Bank gekauft hatte. Später, als diese ins Schleudern kam, hat man sie auch um eine symbolische D-Mark an Kroatien wieder abgegeben.
Kann man gleichzeitig den österreichischen und den bayrischen Steuerzahler retten?
Nein, jetzt ist alles schon zu spät. Damals hätte man die Bank einfach nicht kaufen dürfen. Der Skandal ist, dass der bayrische Vorstand seinen eigenen Kaufvertrag nicht im Detail kannte. Man hat sich nicht informiert, worauf man sich da genau einlässt. Damit hat man sich in Bayern erst dann auseinandergesetzt, als eine Kapitalspritze für die Hypo notwendig wurde. Man hätte zumindest Abschläge beim Verkaufspreis verhandeln müssen oder diese Bank gleich bei der ersten Gelegenheit zurückgeben müssen und nicht auf die Notverstaatlichung warten.
Wie beurteilen Sie das Heta-Moratorium, das Finanzminister Hans Jörg Schelling über die Bad Bank verhängt hat?
Ich hätte das Gleiche wie Ihr Finanzminister versucht. Das hätte man noch viel früher machen müssen, um möglichst viel Schaden vom Steuerzahler abzuwenden. Wer der Hypo Geld gab, hätte damals wissen müssen, dass ein sehr großes Risiko dahintersteckt. Jeder Investor hätte sich ausrechnen müssen, dass ein Bundesland mit einem Budget von zwei Milliarden keine 20 Milliarden Euro an Haftungen bedienen kann. Alle, die hier mitverantwortlich sind, müssen ihren Teil der Verantwortung tragen. Betrüger und Pfuscher müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Im hiesigen U-Ausschuss will man vor allem die politische Verantwortung klären. Hat man das in Bayern 2011 geschafft?
Das Traurige ist, dass keiner im U-Ausschuss in Bayern Schuldbewusstsein gezeigt hat. Niemand hat auch nur einen Fehler eingestanden. Auch der frühere Kärntner Landeschef Gerhard Dörfler hat jegliche Mitverantwortung der Landesregierung abgestritten. Dabei waren die Bayern damals nur Miteigentümer und hatten nur eine Eins-plus-Mehrheit. An Bord waren aber nach wie vor auch die Kärntner Landesregierung und die Grazer Wechselseitige. Und niemand hat das Treiben gestoppt. Die Hypo hat - auch das habe ich unserer Regierung vorzuwerfen - nie Geld zurückgefordert von den "Betrügern" innerhalb und außerhalb der Bank. Die haben sich alle mit einem goldenen Handschlag verabschieden dürfen, selbst Berlin, Kulterer und Co.
Zur Person
Sepp
Dürr (61)
ist ein deutscher Politiker und Abgeordneter für die Grünen im bayrischen Landtag. Der studierte Philosoph, Romanist und Biobauer hat sich in der Vergangenheit als Aufdecker rund um die Bayerische Landesbank engagiert. Er war einer der Initiatoren des bayrischen Hypo-U-Ausschusses.