Amoklauf in US-Sikh-Tempel mit sieben | Toten als Höhepunkt langjähriger Gewalt.
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New York. Am Morgen war noch alles friedlich. Oak Creek, ein bürgerlicher Vorort von Milwaukee, beeindruckte mit gepflegten Gärten und sattgrünen Alleen. Im prachtvollen Tempel der Sikh-Glaubensgemeinschaft bereitete man sich auf die Andacht vor. Die Priester waren in der Lobby versammelt, in der Küche bereiteten Frauen das Mittagsmahl vor, das die Sikh nach dem Gottesdienst gemeinsam einnehmen.
Alles war für einen feierlichen Sonntag gerichtet. Doch stattdessen erlebten die Sikhs von Milwaukee einen Tag des Horrors. Um kurz nach halb elf kam ein mit Tätowierungen übersäter, bewaffneter Mann in den Tempel und begann wahllos das Feuer zu eröffnen. Die Menschen versuchten sich in den Toiletten und in der Küche zu verbarrikadieren. Erst zehn Minuten später konnten zwei Polizisten den Angreifer, der zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Menschen getötet hatte, mit mehreren Schüssen stoppen. Der Mann starb auf der Stelle.
Erst am Montag wurden erste Anhaltspunkte zur Identität des Schützen bekannt. Laut dem Pentagon hatte der 40-Jährige mehrere Jahre bei der Armee gedient und wurde dort als Fallschirmspringer ausgebildet. Möglicherweise war der auf psychologische Kriegsführung spezialisierte Ex-Soldat auch Mitglied einer rechtsextremen, rassistischen Organisation. Eine seiner Tätowierungen erinnerte an die von moslemischen Terroristen verübten Anschläge des 11. September.
Die rund 500.000 in den USA lebenden Sikh waren seit 9/11 immer wieder Ziel von rassistischen Attacken und Diskriminierungen. Wegen ihrer Bärte und der bunten Turbane werden die amerikanischen Sikhs häufig mit Muslimen verwechselt. Die Sikh Coalition in New York, eine Interessenvertretung der Sikhs von Amerika, berichtet von rund 700 solcher Fälle in den vergangenen elf Jahren. "Viele Leute sehen nur den Turban und denken, wir sind Taliban", erklärte eine Geschäftsfrau in New York, die vor 40 Jahren aus Pakistan gekommen ist.
Begonnen hatte die Gewalt gegen amerikanische Sikhs bereits unmittelbar nach dem 11. September. Am 15. September 2001 wurde ein Tankwart erschossen, weil er für einen Moslem gehalten wurde. Wenige Monate später wurde ein Ladenbesitzer mit Metallstäben zusammengeschlagen. Die Schläger riefen dabei "Heute bringen wir Bin Laden um." Da die Zahl der Angriffe auch in den vergangenen Jahren nicht abgeebbt ist, will das FBI den aktuellen Fall nun auch als einen Akt des Inlandsterrorismus behandeln - also nicht nur als wahllose Gewalttat eines Einzelnen wie das Aurora-Massaker Mitte Juli. Am Montag wurden die Sicherheitsvorkehrungen vor Sikh-Tempeln im ganzen Land verstärkt.