Vierter Rücktritt im Wirtschaftsteam binnen drei Monaten. | Tiefe Zerwürfnisse über Strategie in Afghanistan. | Washington/Wien. Finanzminister Timothy Geithner (49) avanciert zum stärksten Mann im Beraterkreis des US-Präsidenten. Falls er bleibt: Denn an der Gerüchtebörse wird schon seit dem Vorjahr sein Rücktritt gehandelt. | Obama scheitert im Senat mit Reformplänen | Ungeduld mit China wächst
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Dabei ist Geithner ohnedies der letzte Verbliebene aus Barack Obamas ursprünglichem Krisenstab - und das wenige Wochen vor den Halbzeitwahlen am 2. November, bei denen die Demokraten um ihre Mehrheiten bangen. Die Optik ist denkbar schlecht: Es sieht so aus, als hätte Obamas Team keine Ideen mehr.
Schwierig, aber erfahren
In der Nacht auf Mittwoch zog Obamas ökonomischer Chefberater Lawrence "Larry" Summers (55) die Reißleine. Er kündigte an, Ende des Jahres an die Universität Harvard zurückzukehren. Summers war rund zwei Jahre lang Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates. Er gilt als schwieriger Charakter, aber auch als erfahrener Haudegen, der von 1999 bis 2001 für den Ex-Präsidenten Bill Clinton als Finanzminister gedient hatte und zuvor Chefökonom der Weltbank gewesen war.
Es ist der vierte namhafte Abgang binnen kurzer Zeit. Fast zeitgleich mit Summers meldete Herbert Allison (67), ein Spitzenbeamter im Finanzministeriums, seinen Rückzug. Als Chef des Büros für Finanzstabilität koordinierte Allison den mit mehr als 700 Milliarden Dollar dotierten Bankenrettungsfonds. Anfang September hatte Christina Romer (51), Leiterin des ökonomischen Rates, angekündigt, ihre Lehrtätigkeit an der Universität Berkeley wieder aufnehmen zu wollen. Obama hatte Romer als Expertin für die Zeit der Großen Depression in den 1930er-Jahren geholt.
Schon Ende Juli war der Budgetdirektor im Weißen Haus, Peter Orszag (41), zurückgetreten. Seit Sommer halten sich überdies Gerüchte, wonach Rahm Emanuel (50), Obamas Stabschef im Weißen Haus, nach den Halbzeitwahlen ebenfalls das Weite suchen könnte. Die offizielle Darstellung, dass jeweils "private Gründe" den Ausschlag gegeben hätten, glaubt niemand so recht.
Fatale Fehlprognosen
Für Wirtschaftsexperten gibt es momentan nur wenig zu erben. Zwar ist die US-Konjunktur noch auf Erholungspfad, sie hat sich aber viel rascher abgekühlt als erwartet. Das schwache Wachstum ist angesichts der gewaltigen Anstrengungen zur Konjunkturankurbelung enttäuschend. Selbst das mehr als 800 Milliarden Dollar teure Stimulus-Paket konnte die Arbeitslosenrate nicht eindämmen: Diese hält sich hartnäckig bei 9,6 Prozent.
Überdies hatten sich Christina Romer und Jared Bernstein, Chef-Ökonom von Vizepräsident Joe Biden, im Jänner 2009 weit aus dem Fenster gelehnt - zu weit: Dank der enormen Staatsausgaben werde die Arbeitslosenrate unter 8 Prozent bleiben, hatten sie versprochen. Ein fataler Fehler: Die Konjunkturpakete sind seither als ineffizient verschrien und genießen in der Bevölkerung keinen Rückhalt mehr. Obamas Handlungsspielraum ist dadurch gering wie nie.
Der US-Präsident ist seither sorgfältig darauf bedacht, für neue Konjunktur-Maßnahmen und Joboffensiven eine Gegenfinanzierung zu präsentieren. Auf Dauer wird sich der Präsident dem Drängen der Republikaner - aber auch zusehends aus den eigenen Reihen - zur Budgetsanierung nicht verschließen können. Insider vermuten, dass dieser Richtungsstreit ebenfalls zu Summers Abgang beigetragen hat.
Die Liste möglicher Nachfolger umfasst zwar fast ein Dutzend Namen, keiner der Kandidaten drängt sich aber auf - ein Signal, dass die Personalreserven allmählich erschöpft sind.
Angesichts der drohenden Wahlschlappe dürfte Kommunikationstalent jedenfalls mehr zählen als ökonomische Kenntnisse. Dass sich in den verbleibenden sechs Wochen die Wirtschaftsdaten bessern, erwartet nämlich niemand. Jetzt geht es darum, Obamas Politik besser zu verkaufen - oder zumindest eine glaubhafte Wende in Aussicht zu stellen. "Obama hat die falschen Leute um sich", hatte Nobelpreisträger Edmund Phelps schon im August kritisiert. Summers sei intelligent und zuverlässig, aber nicht originell. Obama brauche aber "kreative, wilde Vordenker mit Mut zu neuen Wegen in der Wirtschaftspolitik".
Strittige Kriegsstrategie
Wie tief die Risse in Obamas Beraterstab sind, zeigt ein neues Buch ("Obamas Wars") des Watergate-Aufdeckers Bob Woodward: Demnach sei über die Afghanistan-Strategie viel kontroverser gestritten worden, als bekannt. Experten wie der Gesandte Richard Holbrooke und Generalleutnant Douglas Lute hätten massive Zweifel geäußert, dass Obamas Pläne, die US-Truppenpräsenz in Afghanistan zeitlich zu beschränken, funktionieren würden. Vizepräsident Joe Biden habe Holbrooke den "egoistischsten Bastard, den ich je getroffen habe", genannt.
Woodward enthüllt weiters, dass der US-Geheimdienst CIA eine 3000 Mann starke Schattenarmee unterhält, die radikalislamische Taliban in Afghanistan und Pakistan aufspüren und töten soll.