Zum Hauptinhalt springen

Viele schöne Bekenntnisse und wenige konkrete Verpflichtungen

Von Brigitte Pilz

Politik

Mit der Verabschiedung eines Aktionsprogramms ist am Sonntag in Brüssel die 3. UN-Konferenz für die ärmsten Länder zu Ende gegangen. Vertreterinnen und Vertreter von über 120 Regierungen, internationalen Organisationen und der Privatwirtschaft haben eine Woche lang unter anderem zu den Themen Welthandel, Investitionen, Entschuldung, Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und Gesundheit (vor allem HIV/Aids) beraten. Was sind die Ergebnisse?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wir sind hier, um zu überlegen, welche Art der Unterstützung für die 49 LDCs (Least Developped Countries, Anm.) am zielführendsten ist", hat UN-Generalsekretär Kofi Annan zu Beginn erklärt, "und wir wollen sicherstellen, dass sie diese Hilfe auch bekommen." Bekenntnisse zu Partnerschaft und Hilfe kamen schließlich in dem Aktionsprogramm am Ende der Konferenz zum Ausdruck. Die LDCs trügen zwar selbst die Verantwortung für ihre Entwicklung. Sie müssten sich aber auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft verlassen können. Man ist sich der Problemfelder durchaus bewusst und fordert Verbesserungen in diesen Bereichen: Deutliches Wirtschaftswachstum in den ärmsten Ländern, Lösung der Schuldenkrise, Bekämpfung von HIV/AIDS, Beteiligung der gesamten Bevölkerung an sozialen und wirtschaftlichen Errungenschaften, verantwortungsvolle Regierungen, Respektierung der Menschenrechte, Demokratisierung und vieles mehr.

Besonders betont wird der Ausbau des internationalen Handels für die LDCs. Beim nächsten WTO-Treffen im November 2001 soll speziell auf die Bedürfnisse dieser Länder eingegangen werden. Ziel ist ein zollfreier und mengenmäßig unbeschränkter Marktzugang für Produkte aus ärmsten Ländern. Marktöffnung allein ist allerdings zu wenig, weil die LDCs kaum über international konkurrenzfähige Produkte verfügen. Hier soll die Förderung von privaten in- und ausländischen Investitionen Abhilfe schaffen. Die Länder selbst müssten für ein sicheres und investitionsfreundliches Klima Sorge tragen. Auch in diesem Zusammenhang wird auf eine weitere Konferenz verwiesen, auf jene im März 2002 in Mexico, die sich mit der Finanzierung von Entwicklung befassen wird.

Im Aktionsplan wird erneut auch die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) angesprochen. Die OECD-Länder werden aufgerufen, den Rückgang der diesbezüglichen Leistungen zu stoppen und die Effektivität der Programme zu verstärken.

Kritik von Seiten der NGOs

Herbe Kritik an den Ergebnissen der Konferenz kam vom parallel in Brüssel abgehaltenen NGO-Forum. Sie konzentrierte sich vor allem auf folgende Forderungen:

- Die Einhaltung der Menschenrechte muss als Teil von Entwicklung gesehen werden.

- Für alle Arbeitnehmer und -nehmerinnen muss es gerechte Arbeitsbedingungen geben.

- Es braucht klare politische Entscheidungen, um allen Menschen Zugang zu HIV/AIDS-Medikamenten und -Behandlung zu ermöglichen.

- Eine totale Schuldenstreichung ohne jede Bedingung ist unumgänglich, ebenso die Verpflichtung zu erhöhter EZA.

- Der ländlichen Armut ist mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

- Freier Zugang ohne jede Bedingung zu den Märkten der reichen Länder ist zu schaffen.

Der Aktionsplan der Konferenz sei zu allgemein und enthalte kaum konkrete Schritte zur Veränderung. Führt man sich vor Augen, dass die LDCs-Konferenz in Brüssel bereits die dritte ihrer Art war, kann man die Kritik der NGOs nicht von der Hand weisen. Bekenntnisse zur Ausrottung der Armut füllen bereits dicke Bände. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen steht längst an. Auch Regierungsvertreter bezogen durchaus selbstkritisch Stellung. Sie beklagten, dass seit der letzten LDCs-Konferenz 1990 in Paris viel zu wenig passiert sei. Wie weit die Konferenz von Brüssel Veränderungen in Gang bringt, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. "Der Sinn einer solchen riesigen Konferenz liegt ja vor allem darin, dass ein Thema in das Zentrum des Interesses rückt", bemerkte der österreichische Diplomat Herbert Kröll. "Die Probleme der ärmsten Länder können dann nicht mehr ignoriert werden."

Tatsächlich wird die 3. LDCs-Konferenz als Katalysator für zumindest zwei Initiativen gesehen: Der Gastgeber, die Europäische Union, hatte bereits im Vorfeld die vielbeachtete Initiative "Everything but Arms" gestartet, die den ärmsten Ländern unbeschränkten Import ihrer Produkte in EU-Länder ermöglichen soll. Und die OECD hat ihren Mitgliedern empfohlen, bei der EZA einen wesentlich höheren Anteil der Hilfe ungebunden zu leisten, das heißt, sie nicht an verpflichtende Warenkäufe im Geberland zu koppeln.