G8-Staaten wollen Reformen in Nordafrika unterstützen. | Paris/Wien. Es soll der große Auftritt von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy werden. Während Dominique Strauss-Kahn, der wohl Sarkozys schärfster Konkurrent bei der Präsidentenwahl gewesen wäre, auf seinen Prozess in New York wartet, empfängt Sarkozy in der Normandie die Staats- und Regierungschefs der G8-Gruppe. | Mehr EU-Geld für südliche Nachbarn
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Der Gipfel am Donnerstag und Freitag in dem Seebad Deauville eröffnet Sarkozy eine Bühne, um sich als Gastgeber und weltmännischer Staatsmann zu präsentieren, der die französischen Interessen vertritt.
Die Themen decken - wie bei allen G8-Gipfeln - ein weites Feld ab und reichen von Atomkraft und Klimaschutz bis zum Internet (siehe Grafik). Doch die Positionen der sieben großen westlichen Industriestaaten und Russlands unterscheiden sich in vielen Bereichen beträchtlich. Es sind daher in dem noblen, während des Treffens schwer bewachten 4000-Einwohner-Ort eher strategische Diskussionen als große Lösungsvorschläge zu erwarten.
Das zeigt sich etwa bei der Atomkraft, die wegen der Katastrophe im japanischen Fukushima in den Blickpunkt gerückt ist. In Japan werden Kernkraftwerke nun klarerweise wesentlich kritischer gesehen, und Deutschland plant den kompletten Ausstieg. Russland und Frankreich mit ihren großen Nuklearindustrien wiederum haben kein Interesse an einem großen Abschied von der Atomkraft. Einig ist man sich nur, dass AKW sicherer werden sollen. Die EU-Staaten aus der G8-Runde nehmen nun an den Stresstests der Union teil. Doch davon sind freilich die russischen AKW ausgenommen - und Moskau wird sich hüten, irgendwelche verbindlichen Zusagen zu Sicherheitsüberprüfungen zu machen.
Erstmals wird diesmal auch das Internet Thema bei einem G8-Gipfel sein. Gastgeber Sarkozy hat bereits im Vorfeld weltweite Minimalstandards für die geordnete Weiterentwicklung des Internets gefordert. Das Schlagwort Frankreichs lautet hierbei "zivilisiertes Internet". Kritiker sagen, in der Lesart des Elysee bedeutet das strikte Regulierung, mehr Überwachung und Netzsperren. Ob andere Länder diesem Kurs etwas abgewinnen können, bleibt abzuwarten.
Staatschefs aus Afrika werden zu Gast sein
Jedenfalls wollen sich die Staatschefs der G8 nicht als exklusive Runde präsentieren. So nehmen an dem Treffen auch verschiedene Vertreter aus Afrika und der arabischen Welt teil.
Während sich in der Libyen-Frage Gräben auftun - Russland zählt zu den Kritikern der Nato-Angriffe -, zeichnet sich zumindest bei einem anderen Themenschwerpunkt eine gemeinsame Linie ab: Die G8-Staaten wollen die Reformen in Tunesien und Ägypten unterstützen. Sie sind sich wohl bewusst, dass ein Scheitern der dortigen Demokratisierung verheerende Folgen für die ganze Region hätte. So wie die beiden Länder Vorbild für die Aufstände in der arabischen Welt waren, so wäre ein Misserfolg der Transformationen ein Menetekel für diesen Weltteil.
Und Ägypten und Tunesien befinden sich derzeit in einer sehr schwierigen Lage: Die Revolutionen brachten vorerst einen wirtschaftlichen Abschwung. Die Touristen, die beiden Ländern große Einnahmen brachten, bleiben aus. Die Lage ist Investoren noch immer zu unsicher, sie agieren sehr zögerlich oder ziehen sich zurück.
In Ägypten ist gar schon die Rede davon, dass das Land ohne Milliardenkredite bald zahlungsunfähig sein wird. Im industrialisierteren Tunesien gehen Prognosen davon aus, dass die Wirtschaft 2011 nur um einen Prozent wachsen wird - 2010 waren es noch knapp vier Prozent. Und in beiden Ländern bleibt die hohe Jugendarbeitslosigkeit auch nach der Revolution ein Problem.
Demokratie braucht finanzielle Hilfe
Enttäuschte Entwicklungserwartungen könnten wieder Demagogen und radikalen Kräften in die Hand spielen. Der Demokratieprozess braucht also finanzielle Mittel.
Doch um konkrete Geldzusagen für Ägypten und Tunesien soll es laut einem hohen deutschen Regierungsbeamten bei dem Gipfel nicht gehen. Allerdings werden verschiedene Maßnahmen angedacht: So soll die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ihre Arbeit auf Nordafrika ausweiten. Zudem könnten Firmen von G8-Staaten in Ägypten und Tunesien ihre Ausbildung verstärken.
Geldzusagen kommen aber von Institutionen, die mit den G8-Staaten eng verwoben sind. Die Weltbank will in den kommenden zwei Jahren weitere sechs Milliarden Dollar nach Ägypten und Tunesien fließen lassen.