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"Vielfalt birgt Gefahr für Chaos"

Von Matthias Nagl

Politik

Tirols Landeshauptmann Platter sagt, für Stabilität brauche es eine starke ÖVP.


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Innsbruck. Tirols Landeshauptmann Günther Platter hat schon lange keinen Wahlkampf mehr als Frontperson bestritten. Zuletzt tat er das in den 90er Jahren als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Zams. Zum Landeshauptmannsessel kam er 2008 als Nachfolger von Herwig van Staa, der für die ÖVP die absolute Mehrheit verloren hatte. Nun steht Platter vor der schwierigen Aufgabe, die 40,5 Prozent der letzten Wahl zu halten. Selbst innerhalb seiner Partei gilt Platter als umstritten. Die Umfragen sagen der ÖVP Verluste voraus, mit elf Listen treten bei der Landtagswahl in einer Woche so viele Wahlwerber wie noch nie an.

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Sie stehen in Ihrem ersten Wahlkampf als Landeshauptmann. Ist ein Wahlkampf mit all seinen Begleiterscheinungen eine der unangenehmeren Aufgaben des Landeshauptmann-Daseins?

Nein, im Gegenteil. Ich trete mit einem guten Gewissen an. Ich war in den gesamten fünf Jahren in den Städten, Tälern und Orten unterwegs. Deshalb wird niemand sagen, 'jetzt vor der Wahl seid ihr da'.

Aber die Auseinandersetzung wird im Wahlkampf härter geführt als während der Regierungsperiode.

Mein Gott, das ist das politische Geschäft, aber ich lasse mich nicht drausbringen. Ich konzentriere mich auf die eigenen Stärken. Wenn ich unterwegs bin, rede ich darüber, wie das Land Tirol dasteht, und das ist einzigartig.

Die gute Regierungsbilanz, auf die Sie verweisen, ist Teil der Wahlkampfstrategie der ÖVP. Warum steht dann in den Umfragen trotzdem ein Minus?

Jede Laus beißt. Wenn elf Listen antreten, hat diese Vielfalt Auswirkungen. Durch diese Listenvielfalt ist es natürlich schwieriger, das Potenzial, das man hat, halten zu können. Aber diese Vielfalt birgt auch die Gefahr für Chaos. Nämlich, dass Tirol nicht mehr regierbar ist, dass wir keine klaren Verhältnisse mehr haben, dass wir beinahe schlimmere Verhältnisse als in Italien bekommen. Derzeit zeichnet sich ab, dass die politischen Mitbewerber eine Regierung gegen die Tiroler Volkspartei bilden wollen. Dazu brauchen sie mindestens vier, fünf, sechs Listen. Es soll mir irgendjemand erklären, wie dann das Land weiter regiert werden kann. Umso wichtiger ist eine starke Volkspartei. Unser Ziel ist das Halten der 16 Mandate.

Einige der vielen Listen sind mehr oder weniger aus der ÖVP hervorgegangen. Ist die Tiroler ÖVP eine zerfallende Partei?

Beleidigte gibt es immer. Aber der entscheidende Punkt ist der Parteitag. Da habe ich erst kürzlich in einer geheimen Wahl 98,3 Prozent bekommen. Da waren alle dabei, auch die kritischen Geister. Das ist ein eindeutiges Signal der Geschlossenheit.

Innerhalb der ÖVP schon, aber es gibt viele Listen, die eine Vergangenheit in der ÖVP haben. Wie erklären sie sich das?

Es ist in Tirol schon seit Jahrzehnten so, dass es immer unterschiedliche bürgerliche Listen gibt. Wir sind vielleicht als älteste Festlanddemokratie jene, die sich eigenständiger positionieren.

Abhängig vom Wahlergebnis könnte auch eine Dreier-Koalition notwendig sein. Ist das für Sie prinzipiell vorstellbar?

Ich strebe eine Zweier-Koalition an und gehe davon aus, dass es sich ausgehen wird. Eine Zweier-Koalition ist immer stabiler.

Zu den Inhalten: In den letzten Wochen und Monaten ist das Tiroler Dauerthema Agrargemeinschaften wieder sehr stark aufgekommen. Braucht es da eine neue gesetzliche Regelung?

Nein, das ist Wahlkampfgetöse. Ich bin der erste Politiker, der das angegangen ist. Wir haben (2009, Anm.) ein Gesetz beschlossen, bei dem alle außer der Liste Fritz mitgestimmt haben. Wir haben immer die Bestätigung aus Wien bekommen, dass dieses Gesetz verfassungskonform ist. Die behördliche Umsetzung ist derzeit im Laufen. Von den circa 250 betroffenen Gemeindeguts-Agrargemeinschaften sind 70 Prozent der Fälle abgearbeitet. Das heißt, wir werden in einem Jahr die gesamte Thematik erledigt haben. Jetzt hat man kein anderes Thema mehr gefunden und zwei Monate vor der Wahl mit der SPÖ dieses Spektakel aufgeführt. Da kann sich jeder ein Bild machen.

Also wird es mit Ihnen in der Regierung keine Neuregelung geben.

Es sind noch zwei Entscheidungen vom Verfassungsgerichtshof abzuwarten. Wenn sich herausstellt, dass da oder dort nachjustiert werden muss, machen wir das selbstverständlich. Dem Grunde nach haben wir aber bis dato in allen Punkten Recht bekommen. Man muss sich anschauen, was nun im Landtag passiert ist: Die Opposition wollte ein Gesetz innerhalb von 48 Stunden ohne Begutachtungsverfahren durchboxen. Wenn wir das einmal gemacht hätten, hätten die Grünen geschrien und demonstriert. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzlers hat jetzt bestätigt, dass es gravierende Bedenken gibt und dieses Gesetz so nicht beschlussreif ist. Eines ist offensichtlich: Bei diesem Gesetz ist es nicht um die Inhalte, sondern um Wahlkampf gegangen. So kann man nicht arbeiten.

Aber der Verfassungsdienst hat auch festgestellt, dass die vom Gesetz beabsichtigte Rückübertragung des Gemeindeguts prinzipiell möglich ist.

Er sagt, 'ja, das geht'. Hauptteilungen, wo das Vermögen zwischen Gemeinden und Agrargemeinschaften aufgeteilt wird, kann man in den Gemeinden jetzt auch schon machen. Die Übertragung an die Gemeinden geht schon, aber man muss hergehen und schauen, was gehört uns, was gehört euch. Das muss nach dem bereits beschlossenen Gesetz erledigt werden.

Die Opposition kritisiert im Wahlkampf auch, dass es Seilschaften, Freunderlwirtschaft und gewisse Netzwerke gibt, die Tirol in Wahrheit regieren...

Wer sagt das?

Das sagen die Grünen, die FPÖ sagt das auch...

Die Seilschaften und der Postenschacher passieren derzeit bei den anderen, indem sie an möglichen Regierungskonstellationen basteln, um am 29. April gegen die Tiroler Volkspartei eine Regierung zu haben. Dort muss man nach den Seilschaften fragen.

Bei den Vorwürfen geht es aber nicht um Regierungsämter, sondern darum, dass sehr viel im Hintergrund abläuft. Das wird als System Platter oder System ÖVP tituliert.

Wobei die Grünen das schon deutlich zurückgenommen haben. Das ist nichts anderes als Wahlkampfgetöse. Man braucht nur zu schauen, wer momentan Postenschacher betreibt und Seilschaften pflegt.

Das Wohnen ist auch Thema im Tiroler Wahlkampf. Auf Bundesebene wird die Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbaumittel diskutiert. Wie stehen Sie dem gegenüber?

Ja, eindeutig. Wir sind jenes Land, das zu 100 Prozent Eigentümer seiner Wohnbauförderung ist. Wir haben ausreichend Geld, um in den nächsten Jahren 11.500 Wohnungen zu errichten. Das ist eines der wichtigsten Themen in der Zukunft, das berührt die Leute.

Günther Platter (58) ist seit 2008 Landeshauptmann von Tirol. Von 2003 bis 2008 war der ÖVP-Politiker Verteidigungs- und Innenminister. Der gelernte Buchdrucker kommt aus dem ÖAAB und arbeitete vor seiner Politikkarriere als Gendarm. Vor seiner Ministerzeit war Platter Mitglied der Tiroler Landesregierung, davor saß er im Nationalrat und war Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Zams.