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Vielleicht doch mal Brille aufsetzen

Von Christina Böck

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Kurzsichtigkeit ist kein unheilbares Leiden. Wenn man die fuzi-
kleinen Buchstaben beim Augenarzt nicht mehr identifiziert, kann man sich eine Brille aufsetzen, Kontaktlinsen einsetzen, ja, man kann sogar mit einer Laser-OP diese beiden Optionen ausschalten. Bevor man den Führerschein bekommt, muss von einem Amtsarzt geklärt werden, ob eine eventuelle Kurzsichtigkeit eh korrigiert ist - weil man nämlich eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer darstellt, wenn man kaum weiter als bis zum Lenkrad sieht. So weit so bekannt, so weit, so nachvollziehbar. Was es nicht gibt, ist ein sinnbildlicher Sehtest für Politiker. Kurzsichtigkeit in der Politik ist ein Leiden, das nicht so leicht in den Griff zu bekommen ist. Dafür ist es aber weit verbreitet. Wer nur den Tunnelblick auf einen Wahlerfolg nach der Legislaturperiode hat, läuft Gefahr, den Blick auf ein größeres Ganzes zu verlieren. Ein Beispiel dafür ist die Fixierung des Aus für "Wiener Zeitung" in ihrer bestehenden Form durch die Regierungskoalition. Das ist schmerzhaft für die Redaktion und die Abonnenten. Es ist aber vor allem auch - mit Brille besehen - ein Symbol dafür, dass die Politik nicht versteht, in welcher existenziellen Krise die Medien in Österreich stecken. Und dass diese Krise, wenn man nicht jetzt sofort in einer gemeinsamen Anstrengung die schrittweise Zerbröselung des seriösen Journalismus stoppt, gravierende gesellschaftliche Folgen haben wird. Menschen, die sich nur noch via Facebook und KI "informieren", sind auch Wähler. Aber ist das wirklich erstrebenswert?