Zum Hauptinhalt springen

Vielleicht ein vorgezogener EU-Entscheid der Briten

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Premier David Cameron schließt ein Referendum über einen Austritt aus der Europäischen Union bereits 2016 nicht mehr aus.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

London. Schon 2016 könnten die Briten über einen Austritt aus der Europäischen Union entscheiden. Das schließt der britische Premierminister David Cameron jetzt offenbar nicht mehr aus.

Bisher hatte Cameron erklärt, im Falle eines konservativen Wahlsiegs im heurigen Mai wolle er dafür sorgen, dass ein Referendum über die weitere britische EU-Mitgliedschaft "vor Ende 2017" abgehalten werde. Nun aber kann sich der Tory-Regierungschef eine solche Volksabstimmung schon wesentlich früher vorstellen. Er würde, sagte Cameron, das Referendum "mit größtem Vergnügen" schneller ansetzen: Es könne stattfinden, sobald er die EU-Partner für ein EU-Reformpaket gewonnen habe.

Camerons generelle Idee ist es, unmittelbar nach einer Wiederwahl im Mai mit der Rest-EU grundlegende Reformen der Union sowie gewisse Sonderrechte für sein Land auszuhandeln. Gelingt ihm das, ist er bereit, beim anschließenden Referendum seine Landsleute zum Verbleib "in einer reformierten EU" aufzurufen. "Je schneller mir das gelingt, desto besser", sagte der Premier zu Wochenbeginn zur Terminfrage. Dies nähre natürlich die Spekulation, fand der konservative "Daily Telegraph", dass das Referendum "schon nächstes Jahr" stattfinden werde.

Die Bemerkung Camerons zielt aber vor allem auch auf die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei Ukip (United Kingdom Independence Party). Ukip, die für einen bedingungslosen EU-Austritt wirbt, will ein entsprechendes Referendum so schnell wie möglich in die Wege geleitet sehen.

Zerreißprobe droht

Sollte Cameron bei den Wahlen im Mai erneut eine absolute Mehrheit verfehlen und Ukip andererseits eine nennenswerte Zahl von Wahlkreisen erobern, wäre ein Deal zum Referendumszeitpunkt zentrale Voraussetzung für die Unterstützung einer konservativen Minderheitsregierung durch Ukip.

Weder Cameron noch der Ukip-Vorsitzende Nigel Farage will ein solches Bündnis grundsätzlich ausschließen. Ukip werden kontinuierlich rund 16 Prozent der Wählerstimmen prognostiziert, doch kann sich die Partei wegen des britischen Mehrheitswahlrechts nur eine sehr begrenzte Sitzzahl erhoffen.

Die Konservativen, mit etwas mehr als 30 Prozent in der Wählergunst, wollen knapp an eine parlamentarische Mehrheit herankommen. Dasselbe hofft allerdings auch die sozialdemokratische Labour Party, die sich notfalls auf die schottischen und walisischen Nationalisten, die Grünen und eventuell ein Häuflein Linksliberaler stützen würde.

Sollte Labour in die Regierung kommen, gibt es jedenfalls kein EU-Referendum in Großbritannien. Vom Wahlausgang hängt also auch außenpolitisch viel ab. Umfragen zufolge halten sich auf der Insel Befürworter und Gegner der EU in etwa die Waage.

Unruhe unter den Konservativen hat unterdessen eine andere Erklärung Camerons ausgelöst, der zufolge bei einem Referendum ausnahmslos alle Kabinettsmitglieder eine einheitliche Meinung zu vertreten hätten. Bisher haben schon neun Tory-Kabinettsminister zu erkennen gegeben, dass sie für einen EU-Austritt Großbritanniens wären.

Sollten die Konservativen tatsächlich die Wahlen gewinnen, droht der Partei im Vorfeld eines EU-Referendums eine regelrechte Zerreißprobe. Der rechte Tory-Flügel ist schon jetzt, wie Ukip, entschlossen, der EU ein für alle Mal den Rücken zu kehren - egal, was Parteichef Cameron in Brüssel aushandeln kann.