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Vielleicht gibt es gar keine Besseren

Von Walter Hämmerle

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Eine weit verbreitete Hoffnung besagt, dass es irgendwo doch bessere Politiker gibt. Was aber, wenn nicht?


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Vielleicht ist es ja nur ein vorübergehender Eindruck, quasi ein statistischer Ausreißer, aber irgendwie befällt einen das Gefühl, die Hochzeit der personellen Fixierung könnte in der Politik schon wieder vorbei sein. In der großen wie in der kleinen. Okay, es gibt natürlich Barack Obama und Matteo Renzi (bei dem schon gute Umfragewerte zum Griff nach der Macht ausreichten) genau so wie Victor Orban und Wladimir Putin. Aber eben auch François Hollande, David Cameron, die frühe Angela Merkel und in Österreich Werner Faymann und Michael Spindelegger.

Weiß der Kuckuck, aus welchen Gründen diese Politiker gewählt wurden, ihrer persönlichen Strahlkraft und ihrem politischen Charisma war es jedenfalls mit Sicherheit nicht geschuldet. Bei den meisten reichte etwa schon die simple Tatsache, dass sie NICHT ihre Vorgänger waren; bei Spindelegger gibt es zudem die Pointe, dass er eigentlich nicht einmal der Nachfolger sein wollte.

Für die These, wonach der Siegeszug der reinen Personalisierung vorerst zum Stillstand gekommen ist, spricht auch die Wiederentdeckung abstrakter Parolen, die aus Wahlen wieder so etwas wie weltanschauliche Weggabelungen machen sollen: Die einen warnen vor kaltem Neoliberalismus und preisen den Wert sozialer Gerechtigkeit, den anderen graut vor linker Schuldenwirtschaft und loben die Vernunft der fleißigen Hausfrau und ihres gendertechnischen Vis-à-vis, des ordentlichen Kaufmanns.

Bleibt die Frage nach dem Warum: Haben wir es tatsächlich mit einer Repolitisierung der Politik, etwa als Reaktion auf die Folgen der Finanz- und Schuldenkrise zu tun, zumindest in Wahlkampfphasen, in denen naturgemäß Worte über Taten triumphieren? Politische Romantiker werden sich das wünschen.

Mehr spricht allerdings für die Hypothese einer Entpersonalisierung der Politik in dem Sinne, dass dieses Geschäft für charismatische Persönlichkeiten zusehends unattraktiv geworden ist. Dass die Branche dennoch verhaltensauffällige Charaktere anzieht, ist kein Widerspruch, sondern eher noch ein weiterer Beleg.

Das würde dann auch die immer wieder geäußerte Kritik an den Personalvorschlägen der Parteien für die laufende EU-Kampagne relativieren. Diese begründet bekanntlich die Vielzahl weitgehend unbekannter Namen auf den diversen Listen für die EU-Wahl mit der Ignoranz der heimischen Politik für alles Europäische. Neu betrachtet wären Karas, Freund, Vilimsky, Lunacek und Mlinar jedoch noch die Besten, die für diese Aufgabe zu bekommen waren. Zumindest dann, wenn die universalen Grundregeln politischer Vernunft auch vor den österreichischen Parteien nicht haltmachen (woran mitunter allerdings durchaus Zweifel angebracht sind).

Anstatt nun die Politisierung der Politik konsequent umzusetzen, verfallen die Parteien auf die kuriose Idee den Wählern graue Mäuse als strahlende Helden zu verkaufen. Natürlich lässt sich ein Star leichter erfolgsversprechend inszenieren als eine abstrakte Idee, aber ohne Star funktioniert eben auch das Starprinzip nicht.

Höchste Zeit, dass diese simple Wahrheit nicht nur die Parteien, sondern auch die Medien kapieren.