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Vier grüne Chancen

Von Jan Michael Marchart und Werner Reisinger

Politik

In vier Ländern könnte eine Kürzung der Mindestsicherung verhindert werden - im Westen wahrscheinlich, in Wien problematisch.


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Wien. Föderaler ÖVP-Alleingang, die Zweite. Nach Oberösterreich beschloss am Donnerstag nun auch Niederösterreich eine Kürzung der Mindestsicherung, die de facto vor allem Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte treffen wird.

Inhaltlich orientiert sich Niederösterreich am oberösterreichischen Modell - für Personen, die sich innerhalb der vergangenen sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben, gibt es statt der vollen Höhe der Mindestsicherung künftig nur mehr 572 Euro (in Oberösterreich: 520 Euro) als "Mindestsicherung light". Diese gibt es aber nur dann, wenn eine Integrationsvereinbarung unterschrieben wird. Wird diese gebrochen, soll auch die "Mindestsicherung light" gekürzt werden können. Pro Haushalt sollen monatlich nicht mehr als 1500 Euro ausbezahlt werden.

Verfassungsrechtsexperten sehen sowohl diese Deckelung als auch die Kürzung in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer als problematisch an. Von einem Platzen der Verhandlungen der schwarz geführten Länder mit dem Bund "aus Prinzip" spricht die SPÖ, die Maßnahme treffe die Ärmsten der Armen und vor allem Kinder.

Grüne haben es in der Hand

Für die ÖVP wird in Niederösterreich "jenes Modell umgesetzt, das für ganz Österreich das Beste wäre". Sozialminister Stöger, der bis zur Vorwoche an einer bundeseinheitlichen Lösung arbeitete, will der ÖVP keinesfalls weiter entgegenkommen, mit Jahresende läuft der geltende 15a-Vertrag aus. Dann fällt die Verantwortung an die Länder, einige haben bereits jetzt neue Regelungen beschlossen. Jede Abänderung muss auf Landesebene getroffen werden. Das Burgenland könne den Anfang machen: SPÖ-Soziallandesrat Norbert Darabos will zwar dem letzten Vorschlag des Sozialministers zustimmen, für seinen Koalitionspartner, die FPÖ, ist aber das ober- bzw. niederösterreichische Modell Verhandlungsbasis.

In vier Bundesländern - Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Wien - liegt es auch in der Hand der Grünen, welches Mindestsicherungsmodell es künftig geben wird. Vorarlberg hat bereits ein eigens Modell: Eine Deckelung gibt es nicht, anerkannte Flüchtlinge erhalten bei Einhaltung einer Integrationsvereinbarung die volle Höhe der Mindestsicherung. Eine adäquate Lösung liegt auch Stögers letztem Kompromissvorschlag zugrunde. In den restlichen drei Bundesländern könnten die Grünen als Koalitionspartner in der Landesregierung einen Weg wie in Ober- und Niederösterreich verhindern. Wie also sieht die grüne Linie aus?

Die schwarz-grüne Landesregierung in Tirol sieht keine Deckelung vor. Allerdings gibt es einen Tiroler Integrations-Pass. Sollte ein Asylberechtigter nicht bereit sein, Deutschkurse zu besuchen oder eine Arbeit anzunehmen, kann ihm die Mindestsicherung gekürzt werden. Das ist geltendes Recht in Österreich. Dabei möchte es die Soziallandesrätin der Tiroler Grünen, Christine Baur, belassen. Varianten wie in Niederösterreich und Oberösterreich wird es mit den Grünen im Westen nicht geben.

Ebenso argumentiert der grüne Soziallandesrat Salzburgs, Heinrich Schellhorn. In der Mozartstadt ist eine Integrationsvereinbarung für Asylberechtigte geplant, um auf die volle Beitragshöhe zu kommen. Der schwarze Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat sich aber in der Vergangenheit zwar dafür ausgesprochen, anerkannten Flüchtlingen eine niedrigere Mindestsicherung auszahlen zu wollen als Österreichern. Auch er kann sich aber ein Modell wie in Vorarlberg - Sprachkurse und Integrationsvereinbarung für die volle Mindestsicherung - vorstellen. Ein "Modell Ober- bzw. Niederösterreich" steht für die Salzburger Grünen ohnehin nicht zur Debatte. Ein solches ist für Schellhorn "klar verfassungswidrig".

Sonderfall Wien

Die grüne Sozialsprecherin im Bund, Judith Schwentner, bekräftigt gegenüber der "Wiener Zeitung" diese Linie: "Mit uns wird es keine rechtswidrigen Lösungen geben." Für sie sei es "klug gewesen, wie Vorarlberg vorgebaut" habe, die Taktik der ÖVP bezeichnet sie als "permanentes Downgrading nach unten" und als "perfides Spiel": "Immer wenn man der ÖVP entgegenkam, legte sie erneut nach." Den Glauben an eine Einigung im Bund hat Schwentner noch nicht aufgegeben, im Dezember wollen die Grünen einen nochmals überarbeiteter Rahmenvertrag für eine bundeseinheitliche Lösung vorlegen.

Fazit: In den westlichen Bundesländern, in denen die Grünen mitregieren, läuft alles auf das Vorarlberger Modell hinaus. Ob auch in Wien das von Schwentner ausgebebne "Nein" zum ober- bzw. niederösterreichischen Modell halten wird, ist fraglich. Die dortige Sozialsprecherin Birgit Hebein befindet sich in Verhandlungen mit Stadträtin Sonja Wehsely, die kürzlich laut über einen "Plan B" nachgedacht hatte. Dieser soll auch Wartfristen für Asylberechtigte miteinschließen, von Jahren will man aber in Wien nicht reden, eher von Monaten. Auch Hebein will keine rechtswidrige Lösung für Wien. "Der Druck ist dennoch enorm", gibt sie zu. Für die Grünen geht politisch nun eine Tür auf. Ob sie auch durchgehen werden, ist eine andere Frage.