Vier gemeinsame Anträge im Parlament eingebracht. Weitere könnten folgen. Gewerbeordnung wird neu verhandelt.
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Wien. Die Koalition arbeitet wieder - zumindest fürs erste. Am Mittwoch brachten SPÖ und ÖVP gleich vier Anträge im Nationalrat ein, die Materien sollen noch vor dem Sommer beschlossen werden. Bundeskanzler Christian Kern hatte angekündigt, für diese Vorhaben notfalls auch andere Mehrheiten im Parlament suchen zu wollen. Ob das tatsächlich notwendig wird, ist unsicher. Die Anträge wurden den entsprechenden Ausschüssen zugewiesen.
Konkret wollen SPÖ und ÖVP bis Sommer die Beschäftigungsaktion 20.000 für Langzeitarbeitslose über 50 Jahre, eine Erhöhung der Forschungsprämie von 12 auf 14 Prozent, die Anhebung der Studienbeihilfen um 60 Millionen Euro sowie - und das ist neu - eine Staatszielbestimmung zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts umsetzen.
Bei der Aktion 20.000 - ein zentrales Projekt für den Kanzler und zudem im Regierungsabkommen - stand jüngst Finanzminister Hans Jörg Schelling auf der Bremse: die Finanzierung sei noch nicht geklärt. In Schellings Ressort wollte man die Chancen, sich rasch zu einigen, am Mittwoch nicht bewerten: Die Verhandlungen würden laufen, man wolle arbeiten.
Neuer Anlauf für Gewerbeordnung
Bei der Stipendienerhöhung wollte der inzwischen ausgeschiedene Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nur eine Aufstockung um 25 Millionen Euro - zu wenig für die SPÖ, die sich zudem für eine laufende Valorisierung der Stipendien ab einer Inflationsrate von fünf Prozent stark macht.
Die geplante Staatszielbestimmung soll künftig eine Gleichstellung von wirtschaftlichen und ökologischen Interessen sicher stellen. Hintergrund ist der Spruch des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich einer dritten Piste in Wien-Schwechat, deren Bau untersagt wurde. Erwartet wurde am Mittwoch eigentlich auch ein Antrag zur Erhöhung der Frauenquote in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen, doch hier heißt es warten.
Zurück in den Ausschuss heißt es auch für die Reform der Gewerbeordnung. Mit dem Vorschlag, das 186 Seiten dicke Verordnungswerk zu entrümpeln, wollten Kern und Mitterlehner vergangenen Herbst beweisen, dass diese Regierung inhaltlich doch etwas voranbringen könne. Ein einziger Gewerbeschein sollte in Zukunft die Ausübung aller 440 freien Gewerbe in Österreich ermöglichen. Auch die 80 reglementierten Gewerbe sollten durchforstet und einige davon freigegeben werden. Für deren Ausübung ist als Befähigungsnachweis eine abgelegte Meisterprüfung oder ein ähnlicher Nachweis notwendig. Von diesem ehrgeizigen Ziel blieb in der Vorlage der Regierung aber nur wenig übrig, der frühere ÖVP-Obmann scheiterte aber am parteiinternen Widerstand. Gegen einen einheitlichen Gewerbeschein wehrte sich die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer. Durchaus aus Gründen.
Für die Ausübung jedes Gewerbes, egal ob mit oder ohne Befähigungsnachweise, benötigt man in Österreich derzeit einen Gewerbeschein. Das Problem daran: Ein Schein reicht oft nicht aus. Möchte ein Eigentümer einer Werbeagentur zusätzlich seine Buchhaltung machen, benötigt er zwei Gewerbescheine, was natürlich Geld kostet. Für jeden Schein zahlt das Unternehmen Grundumlage an die Wirtschaftskammer. Diese variiert je nach Gewerbetyp, Bundesland und Betriebsgröße. Sie soll zwischen 80 und 800 Euro pro Jahr und Gewerbeschein liegen. Mit der Liberalisierung würde die Kammer Beiträge verlieren.
Was die reglementierten Gewerbe anging, konnte sich die SPÖ dem Vernehmen nach vorstellen, 30 reglementierte Gewerbe freuzugeben. Darunter Glaser und Hohlglasschleifer, Buchbinder, Gärtner oder Dekorateure. Auch dagegen lief die Kammer Sturm. Viele Firmen fürchten nämlich zusätzliche Konkurrenz durch die Lockerung. Die ÖVP soll bereit gewesen sein, vier Gewerbe freuzugeben: Reisebüros, Inkassoinstitute, Arbeitskräftevermittler und Arbeitskräfteüberlasser. Hier war wiederum die SPÖ gegen eine Lockerung, weil sie sich um Konsumentenschutz und Arbeitnehmerrechte sorgt.
Übrig blieb ein Minimalkompromiss. Die freien Gewerbe sollten liberalisiert werden. Die Regelung über die Nebenrechte sah vor, dass 30 Prozent des Jahresumsatzes in einem anderen freien Gewerbe erzielt werden. Zudem wurden Verbesserungen für die Tourismussparte geplant: Erleichterungen bei der Sperrstundenregelung, einfacheres Anbieten von Pauschalreisen und Massagen.
Wirtschafts- gegen Arbeiterkammerinteressen?
Die Reform der Gewerbeordnung soll nun aber noch einmal neu verhandelt werden: Die Koalition hat sich trotz ihres Ablaufdatums darauf verständigt, einen erneuten Anlauf für eine weitergehende Einigkeit zu unternehmen.
Nun geht es darum, die Genehmigung von Betriebsanlagen bei Gewerbeanmeldung zu erleichtern und dafür doch noch die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zu finden. Andererseits versucht die SPÖ, den einheitlichen Gewerbeschein für freie Gewerbe durchzubekommen, gegen die jedoch die Wirtschaftskammer Einwände erhebt. Für den Moment. Zwar hat Kanzler Kern diese Woche ein Spiel der freien Kräfte im Nationalrat angekündigt, derzeit jedoch strebt die SPÖ eine Einigung mit dem Noch-Partner an. Das hängt womöglich auch mit dem Risiko zusammen, dass dann die ÖVP Beschlüsse suchen könnte, die gegen die Interessen der Arbeiterkammer gerichtet sind. Allerdings hat Kurz festgehalten, die SPÖ nicht zu überstimmen.
Prinzipiell könnte es eine Mehrheit gegen die ÖVP in dieser Frage geben, die FPÖ signalisiert Interesse an einem einheitlichen Gewerbeschein. Die reglementierten Gewerbe wollen die Freiheitlichen aber nicht angreifen. Die Neos sprechen sich wie die SPÖ für einen einheitlichen Gewerbeschein aus und wollen die reglementierte Version auf 26 Branchen reduzieren. Da gehen die pinken Liberalen weiter als die SPÖ. Auch die Grünen verlangten umfassendere Reformen, jedoch ohne ins Detail zu gehen.