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Vier Pfeiler für die europäische Industriepolitik

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Wirtschaft

EU-Kommission legt überarbeitete Strategie für angeschlagenen Sektor vor.


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Brüssel. Ein festeres Fundament für die Industriepolitik: Diesem Ziel will die EU-Kommission mit einer überarbeiteten Strategie näherkommen. Den Abschwung in der von der Wirtschafts- und Finanzkrise angeschlagenen europäischen Industrie konnten nämlich bisherige Ansätze nicht aufhalten. So lag zu Jahresmitte die Produktion in dem Bereich noch immer ein Zehntel unter jener vor dem Einbruch, Investitionen sind zurück- und mehr als drei Millionen Jobs verloren gegangen.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat Brüssel einige Leitlinien adaptiert, die der für Industriepolitik zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani Anfang Oktober präsentieren will. Demnach soll diese Politik künftig auf vier Pfeiler gestellt werden: Anreize für Investitionen sowie neue Technologien sollen geschaffen und Marktbedingungen verbessert werden. Der Zugang zu Kapital soll vor allem für kleine und mittlere Unternehmen erleichtert werden. Schließlich müssten Humankapital und Qualifikationen besser mit den Bedürfnissen der Branche abgestimmt werden, heißt es im Entwurf.

Zudem streicht die Kommission sechs Schwerpunkte hervor, die mit Sofortmaßnahmen besonders gefördert werden könnten: saubere Produktions- sowie Fahrzeugtechnologie, nachhaltige Bauwirtschaft, die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, sogenannte Schlüsseltechnologien - wie etwa Mikro- oder Nanoelektronik - und "intelligente Stromnetze" zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energie. All das soll die europäische Wettbewerbsfähigkeit fördern und zu der Vorgabe beitragen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Frage nach der Finanzierung wird mit dem Verweis auf die Möglichkeiten von öffentlich-privaten Partnerschaften beantwortet: Für diverse Initiativen könnten Forschungs- und andere EU-Fördermittel sowie das Risikokapital privater Geldgeber zur Verfügung gestellt werden. Ebenso wird eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank in Aussicht gestellt.

Vor allem auf Innovationen und Hochtechnologien sollte sich der Industriestandort EU konzentrieren, meint die Kommission. Und das sollte dann in industriellen Nutzen umgesetzt werden - was nicht immer gelang. Als Beispiel nennt die Brüsseler Behörde die Solarbranche: Obwohl der EU-Markt mehr als drei Viertel des weltweiten Marktes umfasst und fast ein Drittel der wichtigsten Patente aus Europa stammen, werden hier lediglich 13 Prozent der Solarzellen produziert.

Zwist um Eingriffe in Markt

Radikale Vorschläge, um solche Situationen zu ändern, bietet das Kommissionspapier aber nicht. Das zumindest befinden Teile der Industrie. Die bisherige Strategie werde lediglich weiterentwickelt, und die sechs Schwerpunkte seien recht abstrakt, heißt es aus österreichischen Industriekreisen. Dennoch seien die Überlegungen zu einer gebündelten Finanzierung zu begrüßen, ebenso wie Ideen, auch auf Regionalebene Spezialisierungen zu erreichen.

Kritik gibt es allerdings am widersprüchlichen Verhalten innerhalb der EU-Kommission selbst. Während einerseits die Notwendigkeit der Wettbewerbsfähigkeit und Offenheit des Marktes betont wird, gibt es auf der anderen Seite massive Eingriffe. Als ein negatives Beispiel dienen etwa der produzierenden Industrie Pläne zu Änderungen beim Emissionshandel. So möchte Brüssel den Verkauf der Zertifikate steuern, die Firmen einen bestimmten CO2-Ausstoß erlauben. Dagegen wehren sich Unternehmen wie der Chemiekonzern BASF. Der Emissionshandel wurde als Marktinstrument eingeführt, lautet dort das Argument. Und Eingriffe in den Markt würden das Vertrauen in diesen zerstören.

Die Pläne der Kommission könnten jedoch nicht nur auf Bedenken der Industrie, sondern auch an finanzielle Grenzen stoßen. So sieht die Behörde in ihrem Haushaltsentwurf für die Jahre 2014 bis 2020 Forschungsausgaben in Höhe von 80 Milliarden Euro vor. Etliche Länder wollen aber ein niedrigeres EU-Budget.