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Viereinhalb Jahre im Dunkel

Von Heiner Boberski

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So eine lange Brutzeit ward im Tierreich noch nie gesehen:

Viereinhalb Jahre hat ein Krakenweibchen in Dauerdunkel und Kälte der Tiefsee ausgeharrt, um seine Eier bis zum Schlüpfen zu betreuen, berichtet eine US-Forschergruppe um Bruce Robison vom Monterey Bay Aquarium Research Institute im Fachjournal "Plos one". Die Experten haben den knapp zehn Zentimeter langen Tiefsee-Oktopus (Graneledone boreopacifica) vom Frühjahr 2007 an mit einem ferngesteuerten Tauchroboter in etwa 1400 Metern Tiefe bei insgesamt 18 Tauchgängen beobachtet: wie das brütende Weibchen immer dünner und bleicher wurde, sich nie vom Gelege entfernte, wie es den durchsichtigen Eiern, in denen Oktopusse heranwuchsen, frisches Wasser zufächelte und potenzielle Feinde vertrieb.

Im September 2011 wurde das Tier noch gesehen, im Monat darauf war es verschwunden - und vermutlich tot, denn viereinhalb Jahre sind für Kraken bereits ein sehr langes Leben. Aus den leeren Eikapseln schlossen die Forscher auf etwa 160 geschlüpfte Jungkraken.

Was lernen wir daraus? Um etwas Lebendiges, Fruchtbares zur Welt zu bringen, dauert es auch im Tierreich manchmal viereinhalb Jahre, aber dann ist es soweit.

Hat man vielleicht deshalb vor einigen Jahren die Legislaturperiode bei uns von vier auf fünf Jahre verlängert? Besteht somit Hoffnung, dass die vielen anstehenden politischen Reformen (Verwaltung, Bildung, Gesundheit, Steuerrecht etc.) nach viereinhalb Jahren im Dunkel kurz vor den nächsten Wahlen realisiert und tatsächlich lebensfähig sein werden?