Das kommunistische Vietnam geht im Rahmen einer Antikorruptionskampagne gegen Exzesse seiner Führungsfiguren vor. Hinter dem harten Durchgreifen vermuten Beobachter einen internen Machtkampf.
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Bangkok. (ce) In Vietnam regiert künftig die Bescheidenheit: Teure Autos, Luxusanwesen, ausschweifende Partys, das alles soll für die Spitzenfunktionäre des Landes künftig tabu sein. Das Politbüro der Kommunistischen Partei (KP) verabschiedete diese Woche einen neuen Verhaltenskodex für die Führungskräfte in dem Ein-Parteien-Staat. Sie werden darin zu einem "zurückhaltenden, ehrlichen und einfachen Leben" verpflichtet. Null Toleranz gebe es nicht nur für Freunderlwirtschaft, auch jegliche Machtambitionen ranghoher Beamter sind verpönt.
Die neuen Vorschriften für die Führungsriege des kommunistischen Landes sind Teil einer umfassenden Antikorruptionskampagne, die unter den Funktionären seit mehreren Monaten für erhebliche Unruhe sorgt: Mit bislang beispielloser Härte ging die Regierung zuletzt gegen bekannte Politiker und Manager in Staatsbetrieben vor, denen korruptes Verhalten vorgeworfen wird.
Der Fall Thanh
Auch der aus Deutschland verschleppte Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh gehört zu den prominenten früheren Parteimitgliedern, die wegen angeblich krummer Geschäfte in Ungnade gefallen sind. Politische Beobachter sehen das scharfe Durchgreifen allerdings in erster Linie als Zeichen eines internen Machtkampfs. "Das Vorgehen gegen Thanh hat kaum etwas mit der mutmaßlichen Veruntreuung von Staatseigentum zu tun", kommentiert Zachary Abuza, der am National War College in Washington zu südostasiatischer Sicherheitspolitik forscht. "In dem Fall geht es ausschließlich um Politik." Thanh geriet vergangenes Jahr in die öffentliche Kritik, nachdem er in einem teuren Sportwagen fotografiert worden war. Er setzte sich nach Deutschland ab, wo er Asyl beantragte. Im vergangenen Monat wurde er dann nach Erkenntnissen der Bundesregierung in Berlin vom vietnamesischen Geheimdienst in einen Transporter gezerrt und zurück nach Vietnam gebracht. Dort soll ihm wegen Finanzstraftaten nun der Prozess gemacht werden.
Der Fall löste eine diplomatische Krise zwischen Deutschland und Vietnam aus. Die Führung in Hanoi beteuert jedoch, Thanh sei freiwillig zurückgekehrt. Bereits im Mai wurde der Spitzenpolitiker Dinh La Thang, der die Parteigeschäfte in der Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt leitete, aus dem Politbüro des Landes entfernt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten war es das erste Mal, dass eine Führungsfigur aus dem 19-Personen-Gremium entlassen wurde.
Thanh wird Fehlverhalten beim Staatskonzern Petro Vietnam vorgeworfen. Auch frühere Manager von Staatsbanken und Regierungsmitglieder kamen ins Visier der Korruptionsbekämpfer. Am Mittwoch trafen die Vorwürfe der Misswirtschaft die stellvertretende Handelsministerin Ho Thi Kim Thoa, die von allen Kabinettsaufgaben entbunden wurde.
Der Verdacht, dass es in der Vergangenheit in Staatsbetrieben zu massiver Untreue gekommen ist, liegt auf der Hand. Die geächteten Funktionäre haben jedoch nicht nur die Vorwürfe gemeinsam: Sie alle gehören zum Netzwerk des früheren Premierministers Nguyen Tan Dung, der für marktwirtschaftliche Reformen in dem mehr als 90 Millionen Einwohner großen Land eintrat.
Er wollte im vergangenen Jahr eigentlich zum KP-Generalsekretär aufsteigen - der mächtigste Posten, den Vietnams Politik zu vergeben hat. Doch Dung verlor einen internen Machtkampf gegen den Amtsinhaber Nguyen Phu Trong, der Parteichef bleiben wollte.
Laut Transparency International hat das Land in Asien das zweitgrößte Problem mit der Bestechlichkeit von Behörden - nur in Indien ist die Situation noch gravierender. 56 Prozent der befragten Vietnamesen sagten laut der im März veröffentlichten Studie, dass Schmiergeldzahlungen zuletzt zugenommen haben.