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Vietnams Aufschwung bekommt seine ersten Risse

Von Klaus Huhold

Politik

KP-Parteitag stellt Weichen für die Zukunft. | Für die Macht der KP ist steigender Wohlstand entscheidend. | Hanoi/Wien. Die Kommunistische Partei (KP) begleitet die Passanten in Vietnams Hauptstadt Hanoi auf Schritt und Tritt. Überall hängen Plakate, auf denen die Leistungen der allein herrschenden Partei gefeiert werden oder Sentenzen des noch immer verehrten Parteigründers Ho Chi Minh prangen. Und wenn sich die Anzahl der roten Banner plötzlich noch einmal sprunghaft vermehrt, dann wissen die Vietnamesen, dass ein Parteikongress stattfindet.


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Gestern, Mittwoch, war es nach fünf Jahren wieder einmal soweit. Rund 1400 Delegierte trafen in einem abgeschotteten Veranstaltungszentrum zusammen und eröffneten die wichtigste Zusammenkunft der KP, die eine Woche dauert.

Die Parteigranden sind derzeit mit einer heiklen Situation konfrontiert: Das südostasiatische Land mit 87,3 Millionen hat zwar noch immer einen wirtschaftlichen Aufschwung von etwa sechs Prozent zu verzeichnen, doch dieser ist nicht ungetrübt.

Die Inflation stieg auf elf Prozent. Zudem ist Vietnam eines der wenigen Länder der Region, das mehr importiert als exportiert. Man müsse das "Wachstumsmodell erneuern", sagte Generalsekretär Nong Duc Manh zum Auftakt des Treffens. Vietnam will zur Industrienation aufsteigen.

Kritik am Premier

Bei dem Kongress könnte aber auch ein für die Parteiführung sehr unangenehmes Thema angesprochen werden: Die staatliche Schiffswerft Vinashin hat mehr als drei Milliarden Euro Schulden und steht vor der Pleite. Schon im Vorfeld des Kongress wurde deshalb die Kritik für vietnamesische Verhältnisse ungewöhnlich laut.

Einzelne KP-Mitglieder warfen der Parteiführung haarsträubendes Missmanagement vor. Die Unzufriedenheit fixierte sich vor allem auf Ministerpräsident Nguyen Tan Dung, war doch der Chef der Werft ein Vertrauter von Nguyen. Es wurde schon spekuliert, dass die Affäre Nguyen beim Kongress seinen Posten kosten könnte. Doch er dürfte den Sturm überstehen. Andere hohe Parteikader werden aber aus Altersgründen ausgewechselt werden.

Die Kritik ist aber kein Zeichen dafür, dass sich die KP öffnen würde. Denn Unmutsäußerungen sind nur innerhalb der Partei erlaubt. Wer ihre Alleinherrschaft in Frage stellt, dem droht Verfolgung. So wurden seit Oktober laut Menschenrechtsgruppen etwa 20 Bürgerrechtler verhaftet.

Die Dissidentenszene ist aber ohnehin überschaubar. Der wirtschaftliche Aufschwung hat bisher für Ruhe gesorgt. Von diesem profitiert nämlich nicht nur eine kleine Elite, sondern eine breite Bevölkerungsschicht. Während früher gerade ein paar klapprige Fahrräder durch Hanoi fuhren, sind die Straßen heute mit Mopeds verstopft. Die neue Mittelschicht beschwert sich zwar hinter vorgehaltener Hand über die Korruption der Parteikader, will sich aber nicht durch offenes Aufbegehren den Weg zum Wohlstand verbauen. Doch wenn es der KP nicht gelingt, die zuletzt rasant gestiegenen Lebenserhaltungskosten in den Griff zu bekommen, könnte es mit der Ruhe in Vietnam irgendwann einmal vorbei sein.