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Agent Orange kam vor 50 Jahren erstmals zum Einsatz.
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Berlin. Vor 50 Jahren, am 8. August 1961, versprühte die US-Armee erstmals ein Gift über Vietnam, das später unter dem Namen „Agent Orange” traurige Berühmtheit erlangte. Bei der hochtoxischen Chemikalie, von der laut vietnamesischen Angaben zehn Jahre lang 76 Millionen Liter über dem südostasiatischen Land abgeworfen wurden, handelt es sich ursprünglich um ein Pflanzengift.
Die Amerikaner wollten das Laubdach des Regenwaldes beseitigen, das dem Gegner im Krieg Schutz und Tarnung bot. Doch die „Nebenwirkungen” waren verheerend: Menschen, die mit dem Gift in Berührung kamen, erkrankten meist an Krebs. Agent Orange schädigt aber auch das Erbgut. Viele Kinder und Enkel der mit dem Gift in Berührung gekommenen Menschen werden bis heute mit verheerenden Missbildungen geboren. Vietnamesische Quellen sprechen von 3 Millionen Opfern. Die Familien werden mit ihren behinderten Angehörigen oft allein gelassen. Und sie sind stigmatisiert. Für die gesunden Familienmitglieder ist es oft schwierig, einen Ehepartner zu finden: Die Angst vor behinderten Neugeborenen ist groß, auch schrecken viele davor zurück, lebenslang die kranken Angehörigen pflegen zu müssen.
Traditionell ist das in Vietnam die Aufgabe der Großfamilie. Doch auch in Vietnam brechen Traditionen auf. Viele junge Familien wollen heute nicht mehr mit Eltern, Schwiegereltern, den erwachsenen Geschwistern und deren Kindern unter einem Dach leben. So wird die Last auf weniger Schultern verteilt.
Anlässlich des 50. Jahrestages des erstmaligen Giftabwurfes fordert die vietnamesische Opfervereinigung VAVA mehr internationale Hilfsgelder. „Wir fordern die USA auf, die Verantwortung für den Schaden zu übernehmen”, heißt es in dem Appell. Vor allem von den Herstellerfirmen der Gifte wie Monsanto und Dow Chemical erwartet die Vereinigung endlich ein Schuldeingeständnis samt Entschädigungszahlungen.
Klage abgewiesen
2005 klagte VAVA in einer Zivilklage vor New Yorker Gerichten Schadensersatz von 37 Herstellerfirmen der Gifte ein, scheiterte aber in allen drei Instanzen. Die Richter hatten die Ablehnung der Klage mit dem Argument begründet, die Gifte seien auf Veranlassung des US-Militärs produziert worden. Somit seien die verklagten Chemiefirmen nicht verantwortlich zu machen. Zudem sei der kausale Zusammenhang zwischen dem Giftabwurf und den Schäden der Opfer nicht erwiesen. Anders als die Klägerseite sah das Gericht in dem Einsatz des Entlaubungsmittels auch keinen Verstoß gegen das Völkerrecht. Denn, so die Begründung: „Agent Orange wurde zum Schutz der US-Streitkräfte gegen Hinterhalt und nicht als eine Kriegswaffe gegen Menschen eingesetzt.” Eine Klage gegen die US-Regierung für im Ausland angerichtete Kriegsschäden ist nach amerikanischem Recht nicht möglich.
Anders als die vietnamesischen Opfer bekamen die US-Soldaten, die im Kriegsdienst Umgang mit dem Gift hatten und erkrankten, 1984 im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleiches 180 Millionen Dollar Entschädigung zugesprochen. Ein formales Schuldzugeständnis der Chemiefirmen war damit ausdrücklich nicht verbunden.
Vor sechs Wochen ist in Vietnam erstmals ein Großprojekt angelaufen, das aus US-Steuergeldern finanziert wird: Der ehemalige US- Militärflughafen Danang, vom dem aus die Giftflugzeuge starteten, soll dekontaminiert werden. In dem Areal, das heute inmitten eines Touristengebiets liegt, lagern die Gifte immer noch im Boden.