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Rücktrittsforderungen werden laut. | Falsche Korruptionsvorwürfe gegen Rivalen Sarkozy. | Paris. Frankreichs Premier Dominique de Villepin steht nach dem Debakel der Erstanstellungsverträge erneut in der Schusslinie. Grund sind Indizien, wonach de Villepin gemeinsam mit Präsident Jacques Chirac 2003/2004 Geheimermittlungen über Schwarzgeldkonten des parteiinternen Erzrivalen Nicolas Sarkozy im Ausland veranlasst hatte, für deren Existenz es aber keine Anhaltspunkte gab. Mittlerweile überschlagen sich die Rücktrittsaufforderungen.
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Die Sozialistin Ségolène Royal (PS), die nächstes Jahr für das Präsidentenamt kandidieren will, sprach vom "Ende eines Systems ohne Ethik", mit dem man rasch Schluss machen müsse. Die Tageszeitung "Le Monde" fordert in der Wochenendausgabe eine Anhörung de Villepins von den Gerichtsbehörden und verweist dabei auf die zahlreichen Widersprüchlichkeiten zwischen den Behauptungen des Premierministers und der Aussage von General Philippe Rondot.
Ein General packt aus
Der Geheimdienstagent hatte de Villepin und Chirac in der so genannten "Clearstream-Affäre" belastet. Ihm sei von der Regierung eine Ermittlung gegen Chiracs politischen Widersacher, den jetzigen Innenminister und UMP-Chef Nicolas Sarkozy, angeordnet worden. Chirac und de Villepin dementierten dies allerdings. General Rondot betonte dagegen gegenüber "Le Monde", dass er im Jänner 2004 vom damaligen Außenminister de Villepin beauftragt worden sei, die bereits im November 2003 begonnenen Clearstream-Ermittlungen auf Sarkozy auszudehnen. Sarkozy und andere führende Politiker sowie Manager waren von einem Verleumder anhand verfälschter Computerlisten der Luxemburger Bankverrechnungsstelle Clearstream beschuldigt worden, Schwarzgeldkonten im Ausland zu unterhalten. Laut "Le Parisien" fasst die Pariser Staatsanwaltschaft bereits die Möglichkeit einer Hausdurchsuchung beim Premier ins Auge. Die Justiz versucht bereits seit Wochen, mit Hausdurchsuchungen in Ministerien, Geheimdiensten und Konzernzentralen den Verleumder zu enttarnen. Für "Libération" muss de Villepin zurücktreten, "um Frankreich die Lächerlichkeit einer Bananenrepublik zu vermeiden". In diesem Sinne rief auch der sozialistische Abgeordnete und ehemalige PS-Chef Henri Emmanuelli Präsident Chirac dazu auf, "rasch zu handeln". Sozialistenchef François Hollande (PS) forderte, dass de Villepin von den Richtern einvernommen werde, der zentrumsbürgerliche UDF-Chef François Bayrou vertrat die Ansicht, dass "noch ein Jahr in diesem Klima unhaltbar" sei.
Sündenbock-Theorie
Dennoch zeigte sich de Villepin unbeeindruckt. Es sei "keine gute Lösung" nach "Sündenböcken" zu suchen, meinte der Regierungschef. Auch der Elysee-Palast betonte, dass die Frage nach einem Rücktritt "grundlos" sei. Die Linksopposition kündigte indes die Absicht an, bei der Wiederaufnahme der Parlamentsarbeit am Dienstag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu fordern. "Man muss in der Frage Klarheit schaffen, denn in dieser verderblichen Atmosphäre ist es nicht möglich, bis zur Präsidentenwahl durchzuhalten", so PS-Fraktionssprecher Ayrault.