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Virtuelle Begierden

Von Hermann Schlösser

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Sex im Internet - damit befasste sich am Mittwochabend das Magazin "Grenzenlos" (3sat). Unter Franz Alts Leitung diskutierten drei Frauen und ein Mann über die unzähligen erotischen Angebote in Internet. Eine Psychologin warnte davor, die Kontaktaufnahme beim Chatten mit einer realen Beziehung zu verwechseln, während eine Cybersex-Lady, die via Internet erotische Darbietungen verkauft, gerade das Virtuelle für eine große Chance hielt: Im Netz könne jeder seine Fantasien ausleben, ohne andere damit zu schädigen. Und dass es sich hier nur um Fantasien handle, sei den meisten Usern durchaus bewusst. Eben dies bezweifelte die Mitarbeiterin einer Selbsthilfegruppe für Internet-Süchtige: Sie berichtete von Menschen, die über dem Chatten und Surfen ihre Verwandten, Freunde und Ehepartner vergessen, weil das Internet alle Wünsche bequemer und konfliktloser zu befriedigen scheint.

Der ungewöhnlichste Gast des Abends war der Kapuzinerpater Paulus aus Frankfurt am Main. Er engagiert sich im Internet für ein "Surfen mit Sinn": Dabei bietet er z. B. virtuelle Beichtmöglichkeiten an, die reuigen Sündern nach dem Besuch einer Cybersex-Homepage offen stehen. Außerdem betreibt er eine "Fastenseite der Klosterbrüder", auf der Sexsüchtige zur Enthaltsamkeit angeleitet werden sollen.

Man sieht also: in der virtuellen Welt gibt es für jeden etwas. Und wer die Gefahren der Virtualität diskutiert sehen will, braucht auch nur das Fernsehen anzuschalten und wird von Magazinen wie "Grenzenlos" tadellos versorgt.