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Virtueller Grenzübertritt mit ganz realen Folgen

Von Christa Salchner

Wissen

Eines Tages wird die Grenze zwischen Ost und West vollends verschwinden und wie dieses Leben werden wird, verrät ein Wissenschafts-Projekt im Internet schon jetzt. "Kakanien revisited" vernetzt und unterstützt in der virtuellen Welt, hilft aber jungen Wissenschaftern und Wissenschafterinnen durch Reisestipendien auch im ganz realen Leben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Viktor Bedö ist 28 Jahre alt, wohnt und arbeitet in Ungarn, lebte aber auch in Deutschland und Wien und spricht drei Sprachen fließend: Ungarisch, Deutsch und Englisch. Anglizismen sind ihm so selbstverständlich, dass er alle Mühe hätte, seine Tätigkeit in seiner ungarischen Muttersprache zu beschreiben. Er ist "Junior Researcher" an der Akademie der Wissenschaften in Budapest, führt seit kurzem ein wissenschaftliches "Web-Log" und war eben in Wien, um "Networking" zu betreiben. Sein Web-Log befindet sich auf der Internetplattform "Kakanien revisited" und wird von ihm und einem anderen jungen ungarischen Wissenschafter geführt: Sándor Soós, der ebenfalls mit in Wien war.

Wissenschafts-Forum

"Kakanien revisited" ist zu vergleichen mit einer ständig wachsenden Fachbibliothek, deren Benutzung kostenlos ist. Wissenschafter aus Mittel-, Zentral- und Südosteuropa nehmen hier laufend Stellung zu kulturwissenschaftlichen Fragen. Die kürzlich eingerichteten Web-Logs sind neu und einzigartig in ihrer Art, da Web-Logs bis dato diverse und vor allem private Verwendung fanden, jetzt aber das erste Mal unter ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien geführt werden.

Dass auf den Kakanien-Seiten ein direkter Link zur Online-Enzyklopädie Wikipedia eingerichtet wurde, wo der Begriff Web-Log erklärt wird, passierte nicht ohne Grund, schließlich fällt es selbst erfahrenen Internet-Benutzern schwer, ein Web-Log zu beschreiben. Web-Logs sind im Grunde wie Internetseiten. Der wichtigste Unterschied: Sie sind etwas dynamischer, da sie jederzeit ergänzt werden können und für registrierte Benutzer frei zugänglich sind.

Momentan sind unter www.kakanien.ac.at vier Web-Logs aktiviert, das von Viktor Bedö und Sándor Soós geht in den nächsten Wochen mit dem Titel Budapest online. Weitere Web-Logs aus anderen Städten Zentral- und Südosteuropas befinden sich in Vorbereitung. Gleichzeitig haben Viktor Bedö und Sándor Soós ein Reisestipendium von "Kakanien revisited" bekommen, was ein weiteres Novum darstellt. Sie werden vom Bildungsministerium finanziert, bislang wurden Stipendien an Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus Bulgarien, Kroatien, Ungarn, der Türkei und Österreich vergeben. Gedacht ist das Geld für Bibliotheksrecherchen und den Besuch von Workshops.

Viktor Bedö nutzt das Internet aber oft nur zur Orientierung, um Bibliotheken und ihre Bestände abzufragen. Das Internet hat seine Arbeit und Sprache verändert und beides ist für ihn mit Vorteilen verbunden. Das Internet überwindet Grenzen und ist demokratischer als jedes andere Medium. Die Anglizismen werden von jedem verstanden, egal, wo er herkommt. Bibliotheken oder der Austausch im realen Leben werden aber nicht so schnell zu ersetzen sein und deshalb wurden die Kakanien-Stipendien eingerichtet. Denn junge Wissenschafter haben es schwerer als früher, Geisteswissenschafter noch mehr und das gilt ganz besonders für Zentral- und Südosteuropäer.