Südkorea ist nach China das am stärksten von Covid-19 betroffene Land. Präsident Moon Jae-in gerät wegen seines Krisenmanagements unter Beschuss - kurz vor den Parlamentswahlen.
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Nach China ist in Asian nun auch Südkorea ein Land, in dem sich das Coronavirus rasant ausbreitet. "Das ganze Land ist jetzt im Krieg gegen dieses ansteckende Virus", sagte Präsident Moon Jae-in am Dienstag in Seoul.
Die Gesundheitsexperten und Minister, die seiner Ansprache zuhörten, waren mit Gesichtsmasken ausgestattet. Ihr Präsident verkündete, dass fortan alle Regierungsorganisationen so arbeiten müssten, wie es Notaufnahmen in Krankenhäusern tun. Alle müssten bereit sein, Personen in Quarantäne zu versetzen und Gegenden abzuriegeln.
"Die Krise hat in Daegu und Nord-Gyeongsang ihren Höhepunkt erreicht", so Moon. In diesen beiden Regionen, die sich im Osten des Landes befinden und jeweils rund 200 Kilometer von der Hauptstadt Seoul entfernt sind, wurden mittlerweile rund 4300 Fälle des Virus Covid-19 festgestellt. Insgesamt sind in Südkorea derzeit rund 5200 Personen mit dem Virus infiziert, 31 sind gestorben.
Exponentielles Wachstum
Besonders besorgniserregend ist dabei das Tempo, in dem sich das Virus ausbreitet. Während es in Südkorea noch Mitte Februar nur 28 Fälle gegeben hatte, stieg die Zahl der Erkrankungen danach exponentiell in die Höhe. Auch vergangenes Wochenende wurden täglich hunderte neue Fälle registriert. Nach China ist Südkorea derzeit das mit Abstand am stärksten vom Virus betroffene Land weltweit.
Nicht nur deshalb legt Moon Jae-in nun eine dramatisch anmutende Rhetorik an den Tag. Von "Krieg" und "Notfallaufnahme" spricht der Präsident auch, weil ihm von seinen Widersachern Fahrlässigkeit vorgeworfen wird. Nachdem Mitte Februar vier Tage vergangen waren, ohne dass Neuinfektionen registriert wurden, verkündete Moon, das Virus würde bald verschwinden. Die Anschaffung von Gesichtsmasken sei unnötig. Als sich das Virus danach aber erst richtig ausbreitete, stand Moon wie ein Präsident da, der die Sicherheit und Gesundheit der Menschen seines Landes nicht ernst genug nimmt. Und das kurz vor den anstehenden Parlamentswahlen im April.
Die meisten Corona-Fälle sind auf eine Sekte namens Shincheonji aus der 2,5-Millionen-Stadt Daegu zurückzuführen, wo es vermutlich im Zuge von Gottesdiensten Infektionen gab. Anfang der Woche hat der Bürgermeister von Seoul, Park Won-soon, eine Klage gegen die Führung der Shincheonji-Kirche eingereicht, weil diese deren Mitglieder nicht geschützt habe. In der Hauptstadt sind alle Shincheonji-Kirchen geschlossen. Seouls Bürgermeister Park, der wie Präsident Moon der liberalen Demokratischen Partei angehört, signalisiert damit, dass die politische Führung im Land alle nötigen Register zieht. Aus der gesundheitspolitischen Krise ist nämlich mittlerweile eine politische geworden. Die oppositionellen Konservativen warfen Moon schon in der letzten Woche vor, dass dieser durch Inkompetenz beim Krisenmanagement versage. Laut ihrem Vorsitzenden Hwang Kyo-ahn hätte Besuchern aus China sofort der Eintritt ins Land verwehrt werden müssen.
Unpopulärer Präsident
Zugleich wird die Regierung dafür kritisiert, dass sie nun die Provinzen Daegu und Nord-Gyeongsang unter besondere Beobachtung und womöglich unter Quarantäne stellt. Auch darüber, dass zu Beginn der Krise Gesichtsmasken als Hilfe nach China geschickt wurden, empören sich viele nun. Eine Onlinepetition, die ein Amtsenthebungsverfahren von Moon fordert, hat mittlerweile 1,5 Millionen Unterschriften gesammelt.
Am 15. April wählt Südkorea sein Parlament neu. Wenn sich die Krise um Covid-19 nicht schnell eindämmen lässt, wird das schlechte Management der Corona-Krise wohl das bestimmende Wahlkampfthema werden.
Die Opposition hat bereits angekündigt, mit ihrer Kritik nicht lockerzulassen. Ihr könnte die Krise Stimmenzuwächse bringen. Der bisher relativ populäre Präsident ist inmitten der jüngsten Entwicklungen nämlich immer unbeliebter geworden. Eine jüngste Umfrage ergab, dass 51 Prozent der Menschen in Südkorea mit Moon und seinem Kabinett unzufrieden sind. So sieht es derzeit danach aus, als würde Moon Jae-ins sozialliberale Partei bei den Wahlen abgestraft werden.
Eine Art grotesken Vorteil hat der Präsident dieser Tage aber doch auf seiner Seite: Am vergangenen Wochenende hatten Regierungsgegner eigentlich eine große Demonstration gegen Moons Kabinett geplant. Wegen gesundheitlicher Bedenken konnte sie nicht stattfinden.