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Vision und Wirklichkeit

Von Elisabeth Horvath

Politik

Wohl wurde am Beginn des Transformationsprozesses in den heutigen EU-Beitrittsländern der Umbau des Pensionssystems auf ein 3-Säulen-Modell stark forciert, die Umsetzung hingegen geriet ziemlich ins Stocken. Schon bald nach dem Fall des Kommunismus hat die Weltbank einigen heutigen EU-Beitrittsländern den Umbau ihrer Pensionssysteme auf das 3-Säulen-Modell empfohlen beziehungsweise auch dahin gehend Druck ausgeübt. Der Hauptgrund: Nachdem diese Staaten eine sehr hohe Konsumquote und eine sehr niedrige Sparquote hatten und haben, müssen sie durch Ansparungsmodelle Kapitalstöcke aufbauen. Ein Weg dazu ist eine verpflichtende, kapitalgedeckte Komponente der Pensionssicherung.


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Emmerich Talos, Politikwissenschafter und Herausgeber des 1998 im Böhlau-Verlag erschienenen Buches "Soziale Sicherung im Wandel" skizziert den politischen Umbruch in Ost- und Mittelauropa so:" er ging einher mit der Forcierung liberaler Vorstellungen, die neben dem wirtschaftlichen Bereich auch den der sozialen Sicherung betrafen. Mit der Priorität der Durchsetzung einer liberalen Marktwirtschaft, ihrer Förderung durch adäquate Rahmenbedingungen auf dem Weg von Privatisierungen, angebotsorientierten wirtschafts- und steuerpolitischen Massnahmen, durch Beschränkung öffentlicher Ausgaben und Förderung der Arbeitsmobilität korrelieren Optionen, die eine Neuorientierung und Neugewichtung staatlich geregelter sozialer Sicherung anpeilen."

Ungarn machte den Anfang

So wurden bereits am Beginn des Transformationsprozesses entsprechende Weichen gestellt. Den Anfang hat 1993 Ungarn gemacht, gefolgt von der Tschechischen Republik 1994, in den folgenden Jahren kam diese Entwicklung gerade in Tschechien freilich wieder ins Stocken. Slowenien hatte dieses Verfahren bereits 1992 beschlossen, mit der Durchführung aber erst Mitte der 90er Jahre begonnen, 1997 folgte Polen.

Der radikale Umbau des Pensionsystem auf ein Drei-Säulen-Modell folgte in Ungarn allerdings erst 1997. Die erste Säule wird fast zur Gänze aus Arbeitgeberbeiträgen finanziert (Beitragssatz: 22 Prozent, Arbeitnehmerbeitrag: ein Prozent). Sie ist nach dem Umlageverfahren konzipiert und stellt ein "stark reduziertes System stellt", so die Sozialwissenschafterin und Co-Autorin des Talos-Buches Ursula Filipic. Im Rahmen der zweiten Säule werden Beiträge auf individuelle Konten bei kapitalgedeckten und privat geführten Pensionsfonds eingezahlt. Für NeueinsteigerInnen in das Erwerbsleben sind sie verpflcihtend, die anderen können wählen zwischen Umstieg in das neue System oder Beibehaltung des alten. Die dritte Säule regelt die freiwillige Altersvorsorge, die steuerlich begünstigt ist. Eine Art Ausgleichszulage, wie es auch im österreichischen System vorhanden ist, gibt es für Personen, die aus der ersten und zweiten Säule das Existenzminimum nicht erreichen beziehungsweise für Personen, die auf jeden Fall über 15 Versicherungsjahre haben und trotzdem das Minimum nicht erreichen.

In Polen wurde das Säulen-Modell im April 1999 gesetzlich verankert. Auch dort ist die erste Säule sowohl obligatorisch als auch stark reduziert, sie verbleibt in staatlicher Administration und wird im Umlageverfahren finanziert. Es gibt keine beitragsfreien Zeiten, die Pensionshöhe ist von der Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Pensionierung abhängig. Im Falle einer gestiegenen Lebenserwartung sinken die Pensionen. Was im Klartext bedeutet, je früher jemand in die Rente geht, desto weniger bekommt er monatlich ausbezahlt.

Verpflichtende Einzahlung

Die Finanzierung der zweiten Säule erfolgt durch Beiträge der ArbeitnehmerInnen (nicht der ArbeitgeberInnen), die in persönliche, bei privaten Pensionsfonds errichtete Konten fliessen. Die Einzahlung ist verpflichtend, angelegt wird im Kapitaldeckungsverfahren. Die dritte Säule ist eine freiwillige, private.

Da der Umbau in beiden Ländern mit hohen Kosten verbunden ist, kommt in Ungarn das Staatsbudget für die Defizite, resultierend aus der Beitragsverringerung in der ersten Säule, auf. Die Weltbank gewährte einen entsprechenden Kredit, die jene Generationen zurückzahlen werden müssen, die von dem Umbau profitieren. So jedenfalls die Theorie. In Polen ist es ähnlich. Zusätzliche Kosten verursachen überdies die staatlichen Kontrollen des wachsenden Pensionsversicherungsmarktes.

In Tschechien verläuft die Entwicklung deshalb anders, weil die Umstellung auf ein verpflichtendes, kapitalgedecktes System bisher nicht vollzogen wurde - teils wegen der vergleichsweise hohen Erwerbslosigkeit, teils deshalb, weil man die Reform nicht mittels einer "Schocktherapie" einleiten wollte. Man konzentrierte sich also vorwiegend auf weitreichende Änderungen im Umlagesystem selbst - beispielsweise auf die Verhinderung von Missbrauch von Leistungen sowie der Übertragung von in anderen Staaten erworbenen Versicherungszeiten, um so die Integration in entwickelte Länder zu beschleunigen.

Weitreichend ist auch die Anrechnung von Ersatzzeiten für die Bemssung der Pensionen: Unter der Voraussetzung, dass Versicherungszeiten von mindestens einem Jahr vorhanden sind, werden etwa Zeiten des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus und der Internierung in (Konzentrations-)Lagern angerechnet. Und als eine der Folgen der Abkehr von der planwirtschaftlichen Lenkung der Wirtschaft wurden mit Wirkung ab Juni 1992 die bisherigen privilegierten Arbeitskategorien am gesamtstaatlicher Ebene beseitigt.

Geringe Inanspruchnahme

Zwar gibt es seit 1994 die Möglichkeit, zusätzlich zur traditionellen Vorsorge eine freiwillige kapitalgedeckte Rentenabsicherung abzuschliessen, die Inanspruchnahme blieb bisher allerdings sehr hinter den Erwartungen der Regierung zurück. Dabei war es das Regierungsziel, die Leistungen innerhalb der ersten Säule unter 50 Prozent des Bruttolohnes sinken zu können. Dazu gibt es auch - wenngleich geringfügige - Subventionen des Staates. Bis jetzt hat sich lediglich etwa ein Drittel der Beschäftigten entschlossen, in die privat gemanagten Pensionsfonds einzuzahlen. Die Beitragszahlung erfolgt jedenfalls auf Konten der Pensionszusatzversicherungsfonds, die ersten haben ihre Tätigkeit Ende 1994 aufgenommen. Das Finanzministerium muss sowohl die Gründung dieser in Form von Aktiengesellscaften eingerichteten Fonds bewilligen, als auch die Erstellung ihrer Pensionspläne.

Kein Zwang zur 2. Säule

Seit 1996 wird über die Einführung einer verpflichtenden, kapitalgedeckten Säule diskutiert. Ähnlich wie hierzulande lehnen die Gewerkschaften, Pensionistenorganisationen, die Sozialdemokratische Partei und ein Teil der ExpertInnen in Tschechien jedoch einen Zwang zur zweiten Säule ab. Eine vergleichbare Situation findet sich auch in Slowenien. Zwar hat die Regierung 1997 in dem "Weissbuch zur Pensionsreform" ebenfalls eine obligatorische, kapitalgedeckte zweite Säule festgeschrieben, sie kam aber später wieder davon ab. Statt dessen konzentrierte man sich auf eine Reform des Umlagesystems, die Ende des Vorjahres gesetzlich verankert worden ist. Darin ist - wie eben auch in Österreich - eine deutliche Restriktion der Leistungen enthalten (Verlängerung der Durchrechnungszeiten, Senkung der Ersatzraten, Anhebung des Pensionsanfallsalters, Kürzung der Ersatzzeiten, Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für Frauen).

Es gibt zwar eine verpflichtende, kapitalgedeckte zweite Säule aber nur für ArbeitnehmerInnen,die eine besonders schwere und gefährliche Tätigkeit verrichten beziehungsweise für jene, die ab einem bestimmten Alter ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Die Beiträge werden alledings ausschliesslich von den ArbeitgeberInnen aufgebracht.