Obamas Wirtschaftspolitik zerfällt in zwei Phasen: vor und nach der Blockade.
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Washington/Wien. Barack Obama braucht für seine Wiederwahl acht Prozent. Oder weniger. Die Rede ist nicht von Stimmen, sondern von der Arbeitslosenrate: Laut Statistikern wurde seit dem Zweiten Weltkrieg nie ein US-Präsident im Amt bestätigt, wenn die Arbeitslosigkeit höher lag. Demnach könnte es für Obama eng werden: Selbst das Weiße Haus befürchtet, dass die Rate im Jahresdurchschnitt 2012 bei neun Prozent liegen könnte. Das Wachstum wird mit zwei Prozent prognostiziert - im besten Fall.
Dabei war die US-Wirtschaft vielversprechend ins Jahr 2011 gestartet. Dann lähmten jedoch zunächst der Tsunami und der Atomunfall von Fukushima und zuletzt die eskalierende Euro-Schuldenkrise die globale Erholung. Bis zum US-Wahltermin am 6. November kann es noch viele ähnliche Überraschungen geben.
Die bisherige Bilanz von Obamas Wirtschaftspolitik zerfällt in zwei Hälften: vor und nach dem Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus bei den Kongresswahlen im November 2010.
Anfangs schien Obamas Tatendrang ("Yes, we can!") wie geschaffen für den Kampf gegen die Krise. Die Bankenrettung mit 700 Milliarden Dollar hatte noch sein Amtsvorgänger George W. Bush initiiert; das Konjunkturpaket über 787 Milliarden Dollar trug bereits Obamas Handschrift.
Allen Unkenrufen zum Trotz entwickelte sich auch die große Rettungsaktion für die US-Autoindustrie zu Obamas Gunsten. General Motors und Chrysler mussten zwar mit fast 50 Milliarden Dollar gestützt werden, tauchten aber kräftiger und rascher durch die Insolvenz, als alle gedacht hatten. Anders der Immobiliensektor, der sich bis heute nicht erholt hat - die rückverstaatlichten Hypotheken-Giganten Fannie Mae und Freddie Mac erwiesen sich als Fässer ohne Boden.
Dollar und Fed schützen USA
Im Herbst 2010 war der Elan schlagartig dahin: Der Präsident konnte wegen der republikanischen Blockadepolitik seine Vorhaben kaum noch durchsetzen - und wenn, dann nur mit eklatanten Zugeständnissen.
Als Erstes wurde der Klimaschutz geopfert. Schließlich brachte das Politpatt die USA sogar an den Rand des Staatsbankrotts. Der lähmende Streit über das Schuldenlimit wurde in allerletzter Sekunde notdürftig gekittet. Eine Antwort, wie die Staatsfinanzen dauerhaft saniert werden können, ist weiterhin ausständig.
Dass die USA unter Obama ihre Top-Kreditwürdigkeit verloren, ist historisch, blieb aber erstaunlicherweise fast folgenlos: Gegen Finanzierungssorgen helfen den USA der Status des Dollars als Weltleitwährung und die ultralockere Geldpolitik der Notenbank Fed, die Staatsschulden im Wert von neun Prozent der Wirtschaftsleistung aufgekauft hat.
Obamas Plan einer Reichensteuer ("Buffett-Tax") liegt auf Eis. Als Erfolg kann der Beschluss der Finanzmarktregulierung ("Dodd-Frank-Act") gelten - der praktische Nachweis, dass diese funktioniert, ist freilich ausständig.
Obamas Inspiration wirkte bis nach Wien: Kurz, nachdem er einen Beitrag des Finanzsektors zur Konsolidierung gefordert hatte, hatte auch Österreichs Kanzler Werner Faymann im Jänner 2010 die Eingebung einer Bankensteuer. Diese wird in Österreich seit 2011 eingehoben - anders als in den USA: Dort wurde sie trotz einiger Anläufe nie umgesetzt.