Die slowenische Architektur wurde entscheidend geprägt von Baukünstlern, die bei Otto Wagner in Wien studiert hatten und später in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Ein Lokalaugenschein.
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Schon die ersten Schritte vom Bahnhof in Richtung Altstadt sind in Ljubljana für eine architektonische Überraschung gut. Vis-à-vis an der Ecke zur Mikloičeva Straße beeindruckt die rhythmische Fassade des monumentalen Bürogebäudes der Versicherungsgesellschaft "Vzajemna". Jože Plečnik, slowenischer Star-Architekt, entwickelte hier gekonnt wienerische Themen aus dem Repertoire der Wagner-Schule weiter.
Weiter geradeaus zum Park Mikloičev - das angenehme Ambiente wirkt hier sehr vertraut, vielleicht noch unbekannt, aber keinesfalls fremd. Max Fabiani, Mitteleuropäer aus dem slowenischen Karst, in Wien ausgebildeter Architekt und leidenschaftlicher Urbanist, entwarf den Platz mit zwei modellhaft in die Zukunft weisenden Wohngebäuden: Auf Nummer 16 das Haus Krisper, mit Balkon, Türmchen und Blumenmotiven im sezessionistischen Stil, und auf Nummer 24 das Palais Kleinmayr & Bamberg mit eleganter Fassade - viel bewundert im Eröffnungsjahr 1907 als der modernste und schönste Familienpalast in der Stadt.
Eine dichte Reihe von architektonischen Schmuckstücken umrahmt den folgenden Häuserblock der Mikloičeva: Die dekorative Fassade der Zadružna Gospodarska Banka leuchtet, auf der Suche nach einem nationalen slowenischen Stil, in Rot-Weiß-Blau. Architekt Ivan Vurnik nahm vor dem Entwurf, auf Empfehlung Fabianis, mehrere Jahre am Unterricht bei Professor Otto Wagner in Wien teil.
Internationales Flair
In wagnerianisch angedeutetem Jugendstil erbaute Architekt Josip Vanca die Bank Zadružna Zveza auf Nr. 4 und gegenüber das "Grand Hotel Union". Einen stimmungsvollen Abschluss des Ensembles bildet "Centromerkur", das erste Kaufhaus Laibachs, 1903 gebaut nach dem Vorbild internationaler Handelshäuser. Architekt Friedrich Sigmundt studierte in Wien und war Mitarbeiter in Wagners Büro. Mit modisch aktuellem Shopping-Konzept wechselte kürzlich der Name zu "Galerija Emporum". Auf dem Dach steht geduldig eine Figur des römischen Merkur, Schützer und Förderer des Handels - und der Diebe. Hier, am zentralen Preeren-Platz, eröffnet sich die baukünstlerische Welt des Jože Plečnik. Über den Fluss Ljubljanica spannen sich die "Drei Brücken" fächerförmig in Richtung Altstadt. Links die Markthallen, die mit ihrer geschwungenen Säulenreihe an Palladio erinnern. Der Architekt gestaltete die Brücken mit eleganten Kandelabern, Kais zum Flanieren, Wege und Plätze in der Stadt. Und immer wieder überrascht sehr angenehm die mediterrane Atmosphäre.
Das hat Plečnik in Italien gelernt. Nach der besten Diplomarbeit bei Professor Otto Wagner an der Akademie in Wien erhielt er ein einjähriges Reisestipendium nach Italien. Er ist überwältigt von der Baukunst und findet in jeder Stadt Modelle, die er später in seiner Geburtsstadt bauen wird.
Von seiner tiefen Verbundenheit mit der etruskischen Kunst zeugt die Schleusenanlage Zapornica am Fluss. Monumental, fast archaisch erheben sich die Pfeiler aus dem rauschenden Wasser. Ein starker Entwurf von Plečnik Anfang der 1940er Jahre.
Selbst tief religiös, baute er wunderbare Kirchen. Eine besonders liebenswerte steht im Dorf Črna Vas im Laibacher Moor: St. Michael. Über eine freistehende Treppe betritt man einen zauberhaften Innenraum. Warmes, knarrendes Holz, eine Fülle von dekorativen Details, byzantinisch und volkstümlich slawisch. Eine Wohnkirche, die auch Atheisten ein Gefühl von Geborgenheit geben kann.
Stadtplanung als Kunst
Nach langen Jahren in Wien und Prag kehrt Plečnik 1921 als Professor an die neue Universität in seine Heimatstadt zurück. Fast 50-jährig, beginnt er seine Vision zu realisieren: die Verwandlung des habsburgischen Provinz-Städtchens, nach dem Zerfall der Monarchie, in die selbstbewusste Metropole der Slowenen. Er versucht, seiner Gemeinde mit künstlerischer Stadtplanung zu dienen und die Bauten in humanistischer Tradition dem menschlichen Maß anzupassen.
Wie gestaltete sich seine persönliche Entwicklung vom Tischlerlehrling zum Spitzenkünstler und mittlerweile "Säulenheiligen" der slowenischen Architektur-Geschichte? Aufschlussreiche Einblicke bringt der Besuch in seinem Wohnhaus im Stadtteil Trnovo in der Gasse Karunova Nr.4. Die Einrichtung ist schlicht, zeigt dennoch, dass der Hausherr ein Meister des Interieurs war. In den Wintergarten führt ein niedriger Eingang als Symbol für Bescheidenheit. Darüber eine Tafel mit Bienen: Fleiß!
Das schöne Stadtbild Ljubljanas heute, im 21. Jahrhundert, verdankt sich, neben den Einflüssen aus der Reichshauptstadt Wien, einer Reihe von Zufällen. Zu Ostern 1895 zerstörte ein Erdbeben Laibach gründlich. Unaufgefordert reichte Max Fabiani seinen Entwurf für einen Generalregulierungsplan bei der Gemeinde ein. Von seiner persönlichen Verbindung aus der Schulzeit mit der slowenischen Hauptstadt geprägt, zeichnet er die Pläne aus der Erinnerung. Bürgermeister Ivan Hribar beschleunigte den raschen Ausbau zu einer modernen Stadt mit dem Fabiani-Ring.
Im multinationalen Wien erschüttert just im selben Jahr Professor Otto Wagner mit seiner Publikation "Moderne Architektur" die Bauwelt: "Alles modern Geschaffene muss den neuen Materialien, den Anforderungen der Gegenwart entsprechen. So gewaltig wird die Umwälzung sein, dass eine völlige Neugeburt, eine Naissance aus dieser Bewegung hervorgehen wird - dieser Neustil, die Moderne".
Max Fabiani, von der Technischen Hochschule kommend, arbeitete aktiv an dieser Schrift mit. Der begabte Zeichner Jože Plečnik fand in Otto Wagner eine Vaterfigur, wurde einer seiner besten Schüler an der Akademie der Bildenden Künste, der ersten Bauschule der Donaumonarchie. Die Ausformung künstlerischer Persönlichkeiten war an der Akademie ein Novum der Wagner-Schule, Geschmack und Phantasie Bedingung. In seine selbstbewusste "Special Klasse" drängten Schüler aus allen Ländern des Reiches. Nach der Rückkehr in ihre Heimat werden ihnen hohe Stellen, häufig Lehraufträge angeboten.
Max Fabiani im Karst
Bei der Ankunft verschwindet augenblicklich das Missverständnis, das sich um den Begriff Karst rankt: kahl, karg, grau, öd und flach. Die Spurensuche nach Max Fabiani führt direkt zu der sogenannten "Perle des Karstes" - tanjel. Umgeben von dichtem Grün, sanften Hügeln und Weingärten thront der Ort eindrucksvoll auf einer Anhöhe. Die Anreise mit der Eisenbahn mag etwas umständlich sein, ist aber traditionell und hat Charme und Stil. Ganz im Sinne von Max Fabiani.
Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte Max Fabiani Wien und seiner sicheren Karriere den Rücken. Eine ehrenvolle Einladung auf eine Professur nach Ljubljana lehnte er ebenso ab. Ivan Vurnik lud ihn und Jože Plečnik an die erste, neu zu gründende slowenische Fakultät für Architektur ein. 52-jährig kommt er in seine Heimat zurück und beginnt mit dem Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in seinem geliebten Karst und dem Küstenland.
Als elftes von vierzehn Kindern wurde Max Fabiani 1865 in Kobdilj nahe tanjel geboren. Die Familie Fabiani bewohnte seit Generationen einen herrschaftlichen Gutshof mit einem Jahrhunderte alten Maulbeerbaum. Im Küstenland der Donaumonarchie vermischten sich die kulturellen Wurzeln - italienisch, slowenisch, österreichisch - bestimmend für den langen, schöpferischen Lebensweg von k.u k. Architekt Professor Dr. Max Fabiani.
Es ist durchaus spannend und sinnvoll, um sein Werk verstehen und begreifen zu können, ihm Schritt für Schritt im Karst zu folgen. Über seine Arbeiten sind die Dokumentationen sehr spärlich. Sein gesamtes Archiv verbrannte nach einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg in seiner Residenz "Villa Max" in Kobdilj.
Im Schloss von tanjel eröffnete im vergangenen Jahr die "Max Fabiani Stiftung" eine informative Ausstellung zur Karst-Architektur: Gezeigt wird ein großer Architekt mit viel Vergnügen am Bauen, Visionär, Erfinder, Philosoph und Schriftsteller. Seine ganz besondere Vorliebe galt der urbanen Stadtplanung.
Leider sind die Exponate bisher nur in Slowenisch beschriftet. Marija vagelj, erfahrene Kennerin des Themas, ist eine große Hilfe beim Übersetzen. Sie lebt im Ortskern mit ihrem Mann Josef, beide sind großartige Geschichtenerzähler. Nebenbei produzieren sie Honig und vermieten ein schönes Appartement in der Altstadt.
Wie in einem Freilichtmuseum leben heutzutage nur mehr ein paar Dutzend Menschen in den charakteristischen Karst-Häusern in tanjel. In den letzten Jahren wurden doch einige Häuser renoviert und mit Blumen geschmückt, die Atmosphäre ist jetzt angenehm lebendiger.
An dieser Aufgabe beteiligt sich Duka vagelj täglich mit großem Engagement bei ihrer Arbeit im Museum "Lojze Spacal", und mit ihrer ausgesprochen herzlichen Einladung, am Dorfleben teilzunehmen.
Ein Spaziergang mit ihr beginnt beim Schloss und führt zur Kirche St. Daniel. Beide wurden von den Grafen Cobenzl zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert vollendet. Weiter durch steinige Gassen zur ethnographischen Sammlung im "Romanischen Haus" neben der prächtigen Wasserzisterne. "Fast alles, was tanjel lebenswert und für Besucher so attraktiv macht, verdanken wir Max Fabiani", meint Duka am Weg zur Villa Ferrari. Ihr umfangreiches Wissen sprudelt aus mündlichen und schriftlichen Quellen.
Der Begriff Villa greift zu kurz. Mit einer adaptieren Häuserzeile für eine Klinik mit kunstvoller Parkanlage entwickelte Fabiani in den 1920er Jahren ein ehrgeiziges Projekt mit seinem Schwager Ferrari aus Triest. Gegenwärtig verbleibt eine pittoreske Gartenanlage mit einem künstlichen See. Darüber spannt sich eine Brücke im venezianischen Stil - sehr romantisch, auch eine Top-Adresse für Hochzeiten.
Für gehfreudige Spurensucher eröffnete die Gemeinde den markierten Fabianiweg zwischen Kobdilj und tanjel. Auf diesem ging Fabiani täglich als Bürgermeister im harten Jahrzehnt ab 1935. Seine letzte Ruhestätte liegt im Familiengrab am St. Gregor Friedhof.
Brigitte Breth lebt als Autorin und Fotografin in Wien. In zahlreichen Reiseberichten und Fotoausstellungen im In- und Ausland richtet sie ihr Augenmerk bevorzugt auf Süd-osteuropa.