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Vita brevis, ars longa

Von Manfred A. Schmid

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Rund zehn Jahre seines Lebens, war gestern hier zu lesen, verbringt ein Deutscher im Durchschnitt vor dem Fernseher. Daß sich auch bei uns ähnliche Werte horchrechnen ließen, darf wohl vermutet

werden. Wenn man weiters hinzurechnet, daß ein Mensch rund ein Drittel seines Lebens verschläft (einen Teil davon wahrscheinlich ebenfalls vor den TV-Geräten!), dann sind das bei einer

Lebenserwartung von etwa 75 Jahren immerhin 35 Jahre, die auf diese Art und Weise vorübergehen, ohne daß man sich um die Gestaltung eigens bemühen muß: Bei fast der Hälfte unseres Lebens also führen

nicht wir selbst Regie, sondern dämmern dahin oder begnügen uns mit dem, was uns andere als "Programm" vorsetzen.

Daß sich darunter auch Erbauliches und Informatives befindet, sei hier gar nicht in Abrede gestellt, auch nicht der Unterhaltungswert. Die hier angestellte Jahresbilanz sollte lediglich daran

erinnern, daß man beim Einschalten des Fernsehgeräts bewußter vorgehen könnte · und daß es einen Ausschaltknopf gibt, mit dessen Betätigung wir selbst die Regie übernehmen.

Dafür zu sorgen, daß Leben nicht nur kurz, sondern auch kurzweilig wird, ist freilich eine Kunst, die wir schon fast verlernt haben. Weshalb wir immer mehr auf äußere Stimulatoren · in der

Freizeitindustrie "Animateure" genannt · angewiesen sind. In der Medienwelt sind es die Moderatoren und Showmaster, die über unsere kostbare Zeit bestimmen und denen wir uns anvertrauen. Und nun

drängt es sie auch ins öffentliche Leben und in die Politik. Lassen wir uns vielleicht zuviel vor-machen?