Lima - Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos, über dessen Machenschaften Präsident Alberto Fujimori stürzte, galt in Peru seit Jahren als rechte Hand des Präsidenten. Die peruanische Zeitschrift "Caretas" bezeichnete ihn wegen seines unheilvollen Einflusses auf die Regierungsgeschäfte als Rasputin Fujimoris. Da er seine Aktionen stets auf Videobändern aufzeichnen ließ - die Videoaufnahme von einer Schmiergeldübergabe an einen oppositionellen Abgeordneten, die in der Vorwoche publiziert wurde, führte zu der nun offen ausgebrochenen Krise und zum angekündigten Amtsverzicht des umstrittenen Präsidenten -, fürchten die Vertreter des peruanischen Regimes nun weitere peinliche Enthüllungen.
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Der 56-jährige Vladimiro Montesinos stammt aus einer Familie mit linken Neigungen aus Arequipa, sein Vorname ist ein Tribut an Lenin. Er begann seine Laufbahn beim Militär, wo er es in den Jahren der peruanischen Diktaturen zu höchsten Ämtern brachte. Im September 1976 wurde er angeklagt, Informationen an den CIA verkauft zu haben und aus der Armee ausgestoßen, ein Jahr später wegen Fälschungen und Ungehorsam vom obersten Militärgericht verurteilt. Ein Verfahren wegen Vaterlandsverrat wurde 1984 eingestellt.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Militär studierte er Jus und eröffnete eine Rechtsanwaltskanzlei in Lima, wo er in mehreren Verfahren Verteidiger von Drogenbossen war. Um den Beginn seiner Beziehungen zu Fujimori ranken sich Legenden. So soll er beim Verschwinden oder bei der Fälschung von Dokumenten seine Hand im Spiel gehabt haben, wodurch bewiesen werden sollte, dass Fujimori in Peru und nicht in Japan geboren sei. Gerüchte gibt es auch, dass Montesinos Fujimori bei Problemen mit den Finanzbehörden vertreten habe.
Jedenfalls begann mit den Kontakten zu Fujimori der unaufhaltsame Aufstieg Montesinos, der bei allen Skandalen die Fäden zog. So beim Putsch Fujimoris im Jahr 1992, als der Präsident das Parlament auflöste und eine Notstandsregierung bildete, bei der Niederschlagung des Militärputsches im November 1992, mit dem die verfassungsmäßigen Rechte wiederhergestellt werden sollten, bei der Folterung von Dissidenten innerhalb des Nationalen Geheimdienstes (SIN) und bei Kontakten zu Drogenbossen, wobei Millionensummen in Dollarwährung geflossen sein sollen.
Obwohl Fujimori stets betonte, Montesinos sei bloß ein Geheimdienstfunktionär zweiten Ranges, gelang es ihm, Kameraden aus der Zeit seiner Militärlaufbahn in allen peruanischen Militärregionen auf führende Posten zu hieven und so die Loyalität der Armee zu Fujimori sicherzustellen.
Und Montesinos gab sich nicht mit einer zweitrangigen Stellung im Schatten der Macht zufrieden. Auch wenn er nichts damit zu tun hatte, rühmte er sich der Erfolge. Etwa bei der Gefangennahme des legendären Chefs der Untergrundgruppe "Leuchtender Pfad", Abimael Guzman im Jahr 1992, die auf das Konto der Antiterror-Polizei (Dincote) ging. Gemeinsam mit Fujimori trat er vor die Öffentlichkeit als nach einer monatelangen Geiselaffäre in der japanischen Botschaft in Lima am 22. April 1997 Elitesoldaten bei einem Sturmangriff alle 14 Geiselnehmer der Terroristengruppe Tupac Amaru (MRTA) erschossen hatten.
Bei dieser Operation hatte auch der Erzbischof von Lima, Juan Luis Cipriani seine Hände im Spiel. Er hatte Abhörgeräte in die Botschaft geschmuggelt, mit denen die Geiselnehmer lokalisiert werden konnten. Am Wochenende, als das Video mit der Schmiergeldübergabe Peru erschütterte, forderte Cipriani den Präsidenten auf, "das verfaulte Glied abzuschneiden" und stellte die Frage: "Wie lange werden wir noch in der Hand eines Videoproduzenten sein?". Es war bekannt, dass Montesinos all seine Gespräche und Treffen auf Video aufzeichnen ließ. In dieser Videosammlung vermuten viele Beobachter eine Zeitbombe, Material, mit dem unzählige politische Karrieren und Menschenleben zerstört werden können.
In diesem Zusammenhang sind auch die Gerüchte rund um den derzeitigen Aufenthalt Montesinos zu sehen. Die Regierung dementierte Berichte aus Militärkreisen, wonach Montesinos verhaftet worden sei. Offiziell gilt er seit dem Wochenende als spurlos verschwunden. General Jose Salinas Sedo, der Anführer des Militärputsches vom November 1992, wirft der Regierung vor, weiter ihre schützende Hand über Montesinos zu halten, um Zeit zu gewinnen. Der 1990 in der Präsidentenwahl Fujimori unterlegene Schriftsteller Mario Vargas Llosa, sieht in den mit Montesinos verbündeten Militärs eine Gefahr für die weitere Entwicklung. "Eine verwundete Bestie ist gefährlicher als ein gesundes Tier" meinte der Schriftsteller in einem Rundfunkinterview.
Unbestätigten Gerüchten zufolge könnte sich Montesinos noch immer in der Geheimdienstzentrale aufhalten und dort alle ihn belastenden Dokumente vernichten.
Rund 10.000 Gegner der Regierung Fujimori demonstrierten jedenfalls Montagabend in Lima und forderten die Verhaftung des Geheimdienstchefs. "Solange Montesinos frei ist, kann es keine gesunde Demokratie in Peru geben" rief Oppositionschef Alejandro Toledo der Menge zu.