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Voest: Böhler-Übernahme geglückt

Von Karl Leban

Wirtschaft

Linzer konnten Preispoker knapp für sich entscheiden. | Mit 54,6 Prozent nur hauchdünn über der Ziellinie. | Wien. Seit Montagabend ist die rot-weiß-rote "Elefantenhochzeit" in der Stahlbranche perfekt: Die Voestalpine hat bei Böhler-Uddeholm die Mehrheit erreicht. Ein neuer Stahlriese entsteht - mit einem Umsatz jenseits der 10 Mrd. Euro, einem Betriebsgewinn von 1,2 Milliarden und weltweit 40.000 Mitarbeitern.


Fast wäre die Übernahme gescheitert - denn mit den 54,6 Prozent, die sich die Voest bei Böhler in der Endabrechnung sichern konnte, fiel das Ergebnis ihres Angebots denkbar knapp aus. Hätten die Linzer ihr Offert zuletzt nicht von 69 auf 73 Euro je Aktie nachgebessert, wäre das Ziel, zumindest die einfache Mehrheit ins Trockene zu bringen, wohl klar verfehlt worden. 50 Prozent plus eine Aktie waren die Latte für das Zustandekommen des milliardenschweren Deals - und die galt es zu überspringen.

Wie auch immer: Die bisher größte Übernahme in der österreichischen Industriegeschichte ist jedenfalls gelaufen. Der börsenotierte Edelstahlkonzern Böhler, so wie die Voest einst Teil der Verstaatlichten, kommt wieder unter das Dach des oberösterreichischen Paradebetriebs.

Übernahme verschlingt mindestens 2 Mrd. Euro

Exakt 20,95 Prozent hielt die Voestalpine an Böhler-Uddeholm bereits, nachdem die österreichische Kernaktionärsgruppe um den Wirtschaftsanwalt Rudolf Fries ihren gesamten Aktienbestand zu einem Preis von 69 Euro pro Stück (ohne Nachbesserungsschein) verkauft hatte. Die Voest hat dafür 737 Mio. Euro flüssig gemacht.

Weiters fließen für jene 17,2 Millionen Aktien, die der Voest in der Angebotsfrist angedient wurden und einem Anteil von 33,67 Prozent entsprechen, 1,25 Mrd. Euro. Macht in Summe also vorläufig knapp 2 Mrd. Euro, die die Voestalpine für die Übernahme in die Hand nimmt. Vorläufig deshalb, weil es für jene Böhler-Aktionäre, die das Barangebot bisher nicht angenommen haben, noch eine dreimonatige Nachfrist gibt.

Auf Sicht hat Voest-General Wolfgang Eder 100 Prozent bei Böhler im Visier, was für den Edelstahlerzeuger den Abschied von der seit 1995 bestehenden Börsenotiz zur Folge hätte. Daher wird von Finanzexperten und Analysten erwartet, dass die Voest ihr Barangebot in der Nachfrist nochmals aufbessert, um weitere Anteile einzusammeln. Von einer allfälligen Nachbesserung des Preises würden alle Streubesitzaktionäre profitieren.

Den milliardenschweren Brocken, den die Voest nun schluckt, will sie mittelfristig finanziell verdaut haben. Der ursprüngliche Plan, eine zehnprozentige Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Übernahme durchzuführen, wurde wieder fallen gelassen. Finanziert wird der Deal aus dem Cash-Flow - und vor allem über Kredite. Wegen der festen Stahlkonjunktur, von der sich die Voest auch in den nächsten Jahren fette Gewinne verspricht, wird für kurze Zeit eine höhere Verschuldung in Kauf genommen. Spätestens in zwei bis drei Jahren will die Voest dann wieder schuldenfrei sein.

Strategie: Mehr aus Stahl statt mehr Stahl

Wettbewerbsrechtliche Probleme wirft der Zusammenschluss nach Einschätzung Eders nicht auf: "Wir haben komplementäre, keine konkurrierenden Produkte."

In Brüssel hat die Voest die Übernahme bereits vor etwa drei Wochen angemeldet. Mit dem kartellrechtlichen Okay der Aufsichtsbehörden wird im August gerechnet.

Eder will Böhler als fünfte Division in den Gesamt-Konzern eingliedern. Neben der klassischen Stahlsparte ist die Voest seit Jahren zunehmend in der Verarbeitung tätig. Mit Bahnsystemen, Stahlprofilen und Autozulieferungen lassen sich weit höhere Gewinnmargen erzielen. Mit Böhler kommt nun ein weiterer "Feinkostladen" dazu. Die Kapfenberger sind bei Werkzeugstahl Weltmarktführer, haben ein global weit verzweigtes Verkaufsnetz und punkten mit ihren Produkten unter anderem im Energiesektor sowie in der Auto- und Flugzeugindustrie. Böhler-Chef Claus Raidl sieht hier "gute Ergänzungen" zur Voest. Er und Eder wollen künftig die Wertschöpfung vertiefen.

Die Voest selbst legt heute, Mittwoch, ihre Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr 2006/07 (per 31. März) vor. Große Überraschungen wird es nicht geben: Denn Eder hat bereits seit längerem ein weiteres Rekordergebnis angekündigt.