Brüssel verhängt Importverbote. | Aggressiver Virenstamm in der Türkei. | Den beruhigenden Worten des EU-Gesundheitssprechers Philip Tod vom Mittwoch folgten gestern, Donnerstag, hektische Krisensitzungen. Nach der vorläufigen Entwarnung brachte eine letzte Testreihe der EU-Sachverständigen in Rumänien in der Nacht die Gewissheit: Die Vogelgrippe hat Europa erreicht. Darüber hinaus konnte das in der Türkei grassierende Virus als der besonders aggressive und auch für den Menschen gefährliche Typ H5N1 identifiziert werden. Erste Verdachtsfälle sind auch in Bulgarien aufgetaucht. Im Norden des Landes verendete Zugvögel werden derzeit virologisch untersucht, sagte Tod.
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Pandemie droht
In der Türkei handle es sich um denselben Virenstamm, der vor fast zwei Monaten in Sibirien und davor in China und der Mongolei aufgetreten sei, erklärte Gesundheitskommissar Markos Kyprianou. Er wolle "keine Panik machen", aber "wir müssen davon ausgehen, dass Zugvögel das Virus einschleppen". Es drohe eine "Pandemie".
Die Kommission geht inzwischen davon aus, dass es sich auch in Rumänien um H5N1 handelt. Fest steht zwar bisher nur, dass H5-Viren in einem Huhn und einer Ente gefunden worden sind. Ein Spezialtest in Großbritannien soll heute, Freitag, endgültig Klarheit schaffen. Notfallsmaßnahmen wurden aber sofort eingeleitet. Innerhalb weniger Stunden verhängte Brüssel für lebendes Geflügel, Wildtiere und Hühnerfleisch aus Rumänien ein Importverbot für vorläufig sechs Monate. Gegen die Türkei besteht ein solches bereits seit Montag.
Impfung empfohlen
Krisensitzungen des EU-Veterinärexpertenkomitees sollen am Freitag darüber hinaus gehende vorbeugende Maßnahmen vorschlagen. Der Kontakt des europäischen Geflügels mit Zugvögeln müsse unterbunden werden, sagte Kyprianou. Zur Diskussion stehe deshalb, die Tiere strikt im Stall zu behalten. In den Niederlanden, dass vor zwei Jahren besonders stark von der Vogelgrippe betroffen war, gilt das Freilaufverbot bereits seit August. Der Kommissar empfahl jedenfalls die Impfung von Risikogruppen gegen die saisonale Grippe, sobald Impfstoff vorhanden ist. Gegen den H5N1-Virus gebe es keine wirksame Impfung. Zu überlegen seien daher verschärfte Hygienebestimmungen in der Geflügelhaltung. Übertragen werden kann die Seuche vom Tier auf den Menschen nämlich durch direkten Kontakt, die Hühnerexkremente aber auch über die Atemluft.
Von Mensch zu Mensch ist bisher noch keine Übertragung nachgewiesen. Dazu müsste das Virus mutieren. Und "Viren sind sehr mutationsfreudig", sagte ein Experte der Kommission. Deshalb sei auch jedes Jahr die Entwicklung eines neuen Impfstoffs gegen die saisonale Grippe notwendig. Sollte sich H5N1 von Mensch zu Mensch übertragen können, sei die Opferzahl nicht absehbar.
Zur Eindämmung der Seuche wurden in Rumänien inzwischen 36.000 Hühner notgeschlachtet. 5000 waren es in der Türkei. Dass dies erst der Anfang sein könnte, zeigen die 125 Millionen getöteten Hühner in Asien seit dem Ausbruch der Seuche.