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Voggenhuber tritt aus Solidarität an

Von "WZ"-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Glawischnig über Kehrtwendung verärgert. | Angst vor den Vorzugsstimmen. | Brüssel/Wien. Ein neuer Streit bei den Grünen bringt die Parteispitze in die Zwickmühle: Der bisherige Europasprecher Johannes Voggenhuber kündigte am Mittwoch seine Solidaritätskandidatur zur Unterstützung der Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni an. Bundessprecherin Eva Glawischnig und EU-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek reagierten wenig erfreut. Sie fürchten anscheinend, dass Voggenhuber sich per Vorzugsstimmen ins Parlament wählen lassen will, nachdem er beim Bundeskongress der Grünen gegen Lunacek als Spitzenkandidat unterlegen war. Ob er einen Listenplatz als Solidaritätskandidat erhält, wird der Bundesvorstand der Grünen möglicherweise schon morgen, Freitag, entscheiden.


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Der EU-Abgeordnete skizzierte vor Journalisten in Brüssel folgende Konsequenzen seiner Niederlage: Er trete von seiner Funktion als EU-Sprecher "sofort" zurück. Die Stimme des EU-Parlaments im erweiterten Bundesvorstand werde künftig von seiner Kollegin Eva Lichtenberger ausgeübt. Und er biete eine Solidaritätskandidatur auf der Liste Lunacek an 16. und letzter Stelle an.

Denn er orte nicht nur Irritationen und Missverständnisse zwischen ihm und seiner Partei sondern auch zwischen den Grünen und ihren Wählern, sagte Voggenhuber. Da sich die Wirtschaftskrise bis zu den Wahlen zu einer veritablen Sozialkrise auswachsen werde, glaubt er, dass die Stunde grüner Ideen gekommen sei. Aufgrund des Wählerpotentials halte er sogar ein drittes EU-Mandat für die Grünen für möglich. Es wäre also eine Katastrophe, wenn dieser mögliche Wahlsieg nicht gelänge.

Die Reaktion in Wien war scharf: Eine "100-prozentige Kehrtwende", so Glawischnig. "Ich sehe nicht ein, was das bringen soll. Ich habe keine Lust auf interne Streitereien bis Ende Juni", sagte sie. "Jetzt ändert Voggenhuber seine Meinung, aber mehr sage ich dazu nicht", meinte Lunacek.

Die Ablehnung könnte sich leicht aus dem Wahlsystem ableiten lassen. Erhält der eigentlich abgewählte EU-Parlamentarier mehr als sieben Prozent der Vorzugsstimmen, müsste er auf der Liste der Grünen vorgereiht werden. Bekäme kein anderer Kandidat mehr Vorzugsstimmen als er, könnte er sogar den ersten Platz erobern. Beim letzten Urnengang 2004 hatte Voggenhuber 30.000 Vorzugsstimmen und etwa zehn Prozent aller grünen Voten eingefahren.

Doch Voggenhuber will nichts von diesen Gedankenspielen wissen: Er werde keinen Vorzugsstimmenwahlkampf führen, betonte er gegenüber der "Wiener Zeitung". Auch die Kehrtwende wollte er nicht gelten lassen. Zwar hatte er mehrfach erklärt, er kandidiere nur als Spitzenkandidat oder gar nicht, doch seit fast zwei Wochen werde er von Glawischnig aufgefordert, einen Beitrag zum Wahlkampf zu leisten. Noch vorige Woche hatte sie erklärt, sie habe "größtes Interesse" daran, dass er sich "im Wahlkampf massiv engagiert." "Ich nehme nicht an, dass sie damit das Verteilen von Flugblättern auf der Straße gemeint hat", sagte Voggenhuber. So sei er über die Meldungen aus Wien "sehr erstaunt." Denn jetzt könnten die Wahlen nur gemeinsam gewonnen oder "drastisch verloren" werden.

"Unvorstellbar" sei für ihn daher, dass er nicht nominiert werde. Denn wenn "man zu wissen glaubt, dass die Wähler mich wollen", ihn aber ablehne, bedeute das, das sich die Partei "bewusst gegen den eigenen Wähler stellt."