Bargeld in die Verfassung? Wenn, dann nur mit der gebotenen Rücksicht darauf, dass der Kapitalismus auch Grenzen hat.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Andere Länder, andere Staatsziele. Es entbehrt nicht einer feinen Ironie, dass ausgerechnet wir Österreicher, dieses "Volk, begnadet für das Schöne", wie es in der Bundeshymne heißt, ein seltsames Faible für alles Schnöde entwickelt. Jedenfalls, wenn es um die Verfassung geht. Wie sonst sollte die Forderung zu verstehen sein, jetzt auch noch das Bargeld als Staatsziel in Verfassungsrang zu erheben?
Ausgerechnet die USA, über deren darwinistische Interpretation des Kapitalismus man hierzulande ansonsten gerne das kulturbeflissene Näschen rümpft, zeigt, dass eine Verfassung durchaus auch eine humanistische Botschaft verkünden könnte. "We hold these truths to be self-evident", heißt es da in der längst weltberühmten Präambel, "that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness." Wie anders klingen diese "bestimmten unveräußerlichen Rechte wie Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit" doch, vor allem, wenn man ihnen die Möglichkeit des unveräußerlichen Rechts auf die Verwendung von Bargeld gegenüberstellt.
Die ÖVP jedenfalls ist dafür - aus dem einfachen Grund, weil es angesichts der - vornehm formuliert - Themenbreite im Verfassungsrecht eh schon egal ist; die FPÖ sowieso und überlegt sogar - traditionell der Gipfel hiesiger politischer Entschlossenheit - ein "Volksbegehren zur Rettung des Bargelds" einzuleiten; und auch die Neos können der Idee einer nachhaltigen Absicherung der hiesigen Bargeldmittel etwas abgewinnen. Gegen diese Idee sprechen sich SPÖ und Grüne aus.
Natürlich hört sich beim Geld der Spaß auf - und das ist nicht nur so dahingesagt. Dass in Zeiten, in denen ohnehin eine wachsende Zahl an Menschen das ungute Gefühl hat, die Kontrolle über ihr alltägliches Leben zu verlieren, auch noch Bankmanager und Allmachtsphantasten eine virtuelle Debatte über eine Abschaffung des Bargelds führen, ist nicht nur hart an der Grenze der politischen Vernunft, sondern mit Sicherheit sogar darüber. Mit ziemlicher Sicherheit ist die Idee von einer Handvoll Geldscheinen eine der letzten Stützen für jenen Traum, den wir individuelle Freiheit nennen. Oder besser ausgedrückt: die Minimierung von staatlicher oder sonst irgendwelcher Kontrolle.
Zugegeben, das ist mittlerweile im Wesentlichen ein romantisches Konzept von Unabhängigkeit, das einer Überprüfung in der Wirklichkeit wohl nur selten standhält. Aber immerhin.
So betrachtet würde es fast schon wieder in die Verfassung passen. Deshalb ein Vorschlag zur Güte: Man könnte - durchaus eins zu eins - die eingangs zitierte Passage aus der Präambel der US-Verfassung in die österreichische übernehmen und daran den nächstfolgenden Paragrafen anhängen, der da lautet: "Wir erachten für die Verwirklichung dieser Rechte die Erkenntnis, wonach nur Bares für Wahres zu erachten ist, für unveräußerlich." Damit sollten nun aber wirklich alle leben können.