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Zwar ist die FDP im tiefsten Keller, aber wegen des Afghanistan-Traumas billigt die Mehrheit der Deutschen die Verweigerung militärischer Einsätze in Libyen durch ihren Außenminister.
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Umfragen führten die Schlappen der deutschen Regierungskoalition bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern auf eklatante Führungsschwächen und Zank in Union und FDP zurück. Besonders hart traf es die FDP: 81 Prozent der Befragten lasteten ihr Führungsschwäche an.
Eine Ursache ist der turbulente Führungswechsel: Die FDP setzte Guido Westerwelle als Parteichef und Vizekanzler ab. Dem derart rüde Abgehalfterten blieb lediglich das Außenministerium - auf baldigen Abruf.
Dem jüngsten "Deutschlandtrend" zufolge ist die Zustimmung zu Westerwelle seit den Bundestagswahlen 2009 von 43 auf 25 Prozent gefallen. Damals führte er die FDP auf das Rekordergebnis von knapp 15 Prozent. Jetzt siecht sie konstant bei 4 Prozent dahin und käme damit bei Bundeswahlen nicht über die 5-Prozent-Hürde. In Mecklenburg-Vorpommern reichte es gar nur noch zu knapp 3 Prozent, also flog die FDP aus dem Landtag.
Westerwelles Absturz beschleunigte eine Panne im März. Der deutsche Außenminister erregte international Kritik bis Empörung, weil er sich im UNO-Sicherheitsrat - ausgerechnet mit Russland und China - der Stimme zur Resolution enthielt, die ein Flugverbot über Libyen verhängte und die UNO-Mitglieder ermächtigte, Zivilisten vor Angriffen der Truppen Muammar Gaddafis zu schützen - den Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen. Westerwelles Begründung, dass sich deutsche Truppen "an keinem militärischen Einsatz in Libyen beteiligen", goss noch Öl in die flammende Empörung.
Kanzlerin Angela Merkel verkleisterte den Schaden damit, dass die Enthaltung Bedenken gegen Teile der Resolution zeige, allerdings sei es "jetzt auch unsere Resolution". Recht freundlich reagierte die SPD-Opposition. Der frühere Außenminister und jetzige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte die Enthaltung "verständlich und nachvollziehbar". Sein Parteichef Sigmar Gabriel pflichtete bei, meinte aber angesichts wachsender Kritik, Deutschland fehle eine "innere Haltung zur Bekämpfung des mörderischen Diktators Gaddafi".
Westerwelle ruderte erst unter Druck seiner Partei zurück. Er versicherte der Nato seine uneingeschränkte Loyalität und flog zu den libyschen Rebellen, um ihnen massive zivile Unterstützung zuzusagen.
Nun aber spricht Volkes Stimme: Laut einer Umfrage billigen 54 Prozent der Deutschen Westerwelles Enthaltung. Da schlägt das Afghanistan-Trauma durch: Bisher kehrten 53 deutsche Soldaten in Särgen von der erfolglosen "Verteidigung der Demokratie am Hindukusch" heim. Rund drei Viertel der US-Bürger und der Deutschen fordern den Rückzug aus Afghanistan.
Es knirscht in der deutschen Koalition, weil Westerwelle und Steinmeier einmal gleicher Meinung sind, wogegen Merkel ihren Koalitionspartner zugleich deckt und korrigiert. Ende September droht ihr ein Fiasko, sollte sie neue Milliarden-Garantien für Griechenland mangels Mehrheit in der widerborstigen Koalition nur mit Hilfe der Opposition durch den Bundestag bringen.