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Volksabstimmung oder doch lieber Volksbefragung?

Von Brigitte Pechar

Politik

Der Wahlkampf für die EU-Wahl am 13. Juni wird in Österreich zunehmend von Inhalten geprägt. Für einen europaweiten Volksentscheid über die EU-Verfassung traten gestern sowohl Nationalratspräsident Andreas Khol als auch der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap in getrennten Pressekonferenzen ein. Allerdings will Khol eine rechtlich nicht bindende Volksbefragung, Cap hingegen eine Volksabstimmung.


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Eine europaweite Volksbefragung oder Volksabstimmung ist im Entwurf zur EU-Verfassung nicht vorgesehen. Es könnten also nur 25 einzelstaatliche Referenden durchgeführt werden. Die EU-Verfassung sieht lediglich ein Volksbegehren vor.

Khol spricht dennoch von einer Volksbefragung, die "vorgezogen" werden solle. Dass eine derartige Volksbefragung nicht bindend wäre, glaubt er nicht: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man - wenn man europaweit das Volk befragt - sagt: Mit dem Ergebnis sind wir nicht einverstanden." Eine rechtlich bindende nationale Volksabstimmung über den Verfassungsentwurf lehnt Khol weiterhin ab.

Nach Ansicht von Cap sollte es über die EU-Verfassung eine europaweite Volksabstimmung geben. Dieses Instrument müsste in der EU aber erst institutionalisiert werden. Dann könnte man auch über die Frage der Nutzung der Atomenergie eine solche EU-weite Volksabstimmung durchführen. Auch Grünen-Spitzenkandidat Johannes Voggenhuber trat einmal mehr für eine EU-weite Volksabstimmung über die Verfassung ein.

Zur Koordinierung der österreichischen Europa-Abgeordneten mit dem Parlament in Wien schlug Khol die Einrichtung eines Komitees aller österreichischen Delegationsleiter im Europaparlament vor. Diesem Komitee könne der Nationalrat seine Stellungnahmen zu europäischen Gesetzesinitiativen zukommen lassen, so Khol. Die österreichischen Abgeordneten könnten die Vorschläge des Nationalrats dann im europäischen Parlament umsetzen.

Diese Idee kommentierte Voggenhuber wohlwollend, kritisch merkte er aber an, dass derzeit vor allem von Seiten der Regierungsmitglieder keine Zusammenarbeit mit den EU-Abgeordneten gepflegt werde.

Vor Erweiterung nationale Parlamente befassen

Cap sprach sich außerdem dafür aus, dass die nationalen Parlamente vor der Aufnahme von Verhandlungen mit Erweiterungskandidaten befasst werden. Grundsätzlich sei er aber dafür, bei Erweiterungsschritten "auf die Bremse" zu steigen.

Genau in dieser Frage zeigt sich für Voggenhuber das Defizit der EU. Man habe etwa der Türkei Beitrittsoptionen angeboten, ohne die nationalen Parlamente vorher zu befragen. Die Staats- und Regierungschefs "fassen Beschlüsse, ohne einer parlamentarischen oder gerichtlichen Kontrolle zu unterliegen".