"Wenn 15 Staaten mit 11 verschiedenen Sprachen und 15 verschiedenen Rechtskulturen versuchen, eine Verfassung zu entwerfen, sollte es in Österreich mit einer Sprache und einer Rechtskultur leicht gelingen", betonte der Präsident des Österreich-Konvents, RH-Präsident Franz Fiedler, am Montag in einer Pressekonferenz. Dass es bei der Umsetzung der EU-Verfassung Probleme gebe, "lässt mich sehr kalt". Eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung hält Fiedler ob erwarteter "gravierender Änderungen" für zwingend.
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Der Konvents-Präsident ist optimistisch, dass der vorgegebene Zeitplan von 18 Monaten für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung halten wird. Die zehn Arbeitsausschüsse sollen in den kommenden ein bis zwei Monaten erste Ergebnisse vorlegen. "Die Arbeiten gehen gedeihlich voran" und die Stimmung im Konvent sei positiv, berichtete Fiedler vor JournalistInnen. Vier Eckpunkte seien unantastbar: das demokratische, rechtsstaatliche, republikanische und bundesstaatliche Prinzip. Noch deutlich auseinander gehen die Vorstellungen über die Zukunft des Bundesrates. Auch gilt es noch, die Frage der Präambel auszudiskutieren. "Ich kann sowohl mit als auch ohne leben", betonte Fiedler. Ihm persönlich sei eine solche bisher nicht abgegangen. Auch müsse man klären, welchen rechtlichen Gehalt eine Präambel haben würde. Beim Thema Gottesbezug seien die Würfel bereits gefallen, glaubt der Rechnungshof-Präsident, denn die Kirchen würden darauf keinen Wert legen.
Reger Meinungsaustausch im Konvent ist erwünscht
Fiedler legt in jedem Fall Wert auf regen Meinungsaustausch: "Es ist das größte Unglück, wenn nicht jeder die Möglichkeit hat, seine Meinung zu äußern. Es ist hingegen kein Unglück, wenn noch keine Konturen sichtbar sind", hält er Kritikern entgegen.
Eine Volksabstimmung werde "zwingend" stattfinden müssen, da es zu "gravierenden Änderungen" kommen werde, kündigte Fiedler an. Damit wäre auch endlich der Artikel I der Verfassung verwirklicht - "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus".
Gestern Nachmittag hat der Österreich-Konvent ein weiteres Hearing abgehalten. Diesmal kamen unter anderen Organisationen aus den Bereich Soziales, Kultur, Medien und Familie zu Wort.
NGOs fordern Verankerung sozialer Grundrechte
Dabei haben Vertreter von Hilfsorganisationen die Verankerung von sozialen Grundrechten in der neuen Verfassung gefordert. "Marktwirtschaft und Wohlfahrtsstaat brauchen einander wie der Fisch das Wasser", meinte Caritas-Präsident Franz Küberl beim Hearing. Deshalb müsse die neue Verfassung auch ein Bekenntnis zum Wohlfahrtsstaat enthalten. Außerdem forderte Küberl etwa ein Grundrecht auf Existenzsicherung und auf Asyl.
Michael Chalupka, Direktor der evangelischen Diakonie, schlug vor, die sozialen Grundrechte aus der EU-Grundrechtscharta und aus der Sozialcharta des Europarates zu übernehmen. Martin Schenk von der Armutskonferenz warnte vor negativen Folgen der Ausgliederung von öffentlichen Dienstleistungen.
Für den Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk, Vorsitzender des Konvents-Ausschusses zum Grundrechtskatalog, ist die Zeit für die Verankerung sozialer Grundrechte "überreif", wie er beim Hearing betonte.
Bis Ende kommenden Jahres soll der Österreich-Konvent einen Entwurf für eine neue österreichische Verfassung vorlegen. Man solle aber derzeit noch "nicht zuviel vom Konvent verlangen, denn wir haben erst ein Drittel hinter uns", versuchte Präsident Fiedler gestern, Kritiker in die Schranken zu weisen.