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"Erlebnis-orientiert" soll er werden, der vom Volk festgezurrte Grundwehrdienst, meint die Volkspartei am Tag danach. Die seltsame Formulierung zeigt, dass sich nun die Indifferenz der vorangegangenen Debatte rächt. Denn der Wehrdienst bleibt, weil eine Mehrheit den Zivildienst schätzt. Der von Wifo-Chef Karl Aiginger jüngst zitierte schonungslose Rechnungshof-Bericht über das Bundesheer vom Mai 2012 blieb bei den Reformvorschlägen unberücksichtigt. 2059 Bundesheermitarbeiter sind demnach ohne Beschäftigung - und dürfen daher auch "teilweise" die Arbeitszeit zu Hause verbringen.
Das Ja zur Wehrpflicht bringt den aktuellen Zustand des Heeres stärker in den Fokus, als es ein Ja zum Berufsheer vermocht hätte.
Die "Systemerhalter" (zu denen bei der Abstimmung mit überwältigender Mehrheit auch Generalstab und Offiziere zählten) werden das eher ambivalent sehen. Viele von ihnen werden einen komfortablen Job verlieren, wenn die Vorschläge der Reformkommission und des Rechnungshofes umgesetzt werden.
Die sich daraus ergebende Verringerung der Standorte (Kasernen und Militärkommanden) werden mit Sicherheit auch auf den erbitterten Widerstand der Landeshauptleute stoßen - ein weiterer Garant, dass so schnell vermutlich nichts passieren dürfte. (Alles, was nicht bis Sommer fix und fertig ins Parlament kommt, wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr stattfinden.)
Der Kater nach dem Volksbefragungsfest entsteht aber auch nach einem kräftigen Schluck aus der "direkten Demokratie". Den Ausschlag für die Wehrpflicht gaben Männer über 60, die Jugendlichen bis 30 stimmten mehrheitlich für ein Berufsheer (auch wenn die ÖVP eine andere Umfrage aus der Lade zog). Ob die Jungen eine große Freude haben, in der direkten Demokratie von der zahlenmäßig überlegenen "Pensionistengeneration" auf Dauer überstimmt zu werden, wäre eine politische (Bildungs-)Diskussion wert.
In der aktuellen Notwendigkeit betrifft dies auch den Wehrersatzdienst, besser bekannt als Zivildienst. Auch der müsse reformiert werden, sagte das Rote Kreuz am Tag nach der Volksbefragung. Das war in dieser Deutlichkeit vor dem Urnengang nicht zu hören, da ging es vor allem um dessen Erhalt. 60 zu 40 war ein deutliches Ergebnis, aber auch ziemlich Erlebnis-orientiert.