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Voll antikanal

Von Alexander U. Mathé

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Eine nicaraguanische Bäuerin mobilisiert Proteste gegen den Bau einer gewaltigen Wasserstraße.


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Francisca Ramírez ist eine kleine nicaraguanische Bäuerin, die sich gegen ein großes Projekt stemmt. Wobei in diesem Fall das Wort "riesig" eher angebracht ist. Ramirez kämpft nämlich gegen den Bau des Kanals, der durch ihr Land den Atlantischen und den Pazifischen Ozean verbinden soll. Der Spatenstich erfolgte im Jahr 2014 und die Konkurrenz zum Panamakanal soll - soweit der Plan - 2020 fertiggestellt sein. Gebaut wird die 278 Kilometer lange Wasserstraße vom chinesischen Unternehmen HKND und soll dem Reich der Mitte Lieferwege erleichtern und Wirtschaftsimpulse setzen. Das erhofft sich auch der sandinistische Präsident Nicaraguas, Daniel Ortega, für sein Land. Neben dem Kanal sind zwei Häfen, ein internationaler Flughafen, Fabriken und eine Freihandelszone geplant. Der Bau eines solchen Kanals geht allerdings nicht spurlos an der Natur vorüber. Für das Megaprojekt müssen fünf Milliarden Kubikmeter Erdreich abgeräumt werden. Die möglichen Folgen listete der international gefeierte Evolutionsbiologe Axel Meyer von der Universität Konstanz auf. Die Kritik beginnt bei der Zerstörung von 400.000 Hektar Regenwald und Feuchtgebiete und damit des Lebensraumes von gefährdeten Tierarten wie dem Jaguar. Es folgt die Bedrohung indigener Bevölkerungsgruppen. Da die Strecke durch den Nicaraguasee verläuft, würde über den Kanal unweigerlich Salzwasser in das größte Trinkwasser-Reservoir Mittelamerikas eindringen; mit leicht vorstellbaren Folgen für Mensch und Tier. Auswirkungen auf umliegende Ökosysteme, die den letzten Zufluchtsort vieler gefährdeter Spezies darstellen, runden das "ökologische Desaster" ab. Gründe genug also für Francisca Ramírez gegen den von der Regierung begonnen Bau mobil zu machen. Die 40-jährige Mutter von vier Kindern steht an der Spitze des "Rats für die Verteidigung der Erde, des Sees und der Souveränität". Die Frau, die ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Bohnen und Wurzelgemüse sowie Milchprodukten bestreitet, fand schon bald zahlreiche Unterstützer. Das gefiel der Regierung freilich ebensowenig wie die organisierten Proteste. Ramirez wurde verhaftet, "wie eine Terroristin", wie sie selber sagt, jedoch - nachdem ihr nichts vorgeworfen werden konnte - freigelassen. Die Behörden verfolgen beharrlich ihre Politik der stetigen Nadelstiche. Zwei für ihre Arbeit wichtige Fahrzeuge wurden ohne Angaben von Gründen von der Polizei Anfang Dezember einfach konfisziert. Erst auf Druck von Amnesty International erhielt sie die Fahrzeuge zurück - beschädigt und ohne Entschädigung. Ihren Kampf und ihre Popularität wird man so aber nicht stoppen können. Immerhin wählten sie erst kürzlich knapp 42 Prozent der Leser der renommierten Zeitung "Prensa" zur Persönlichkeit des Jahres 2016.