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SPÖ: Parlament soll das letzte Wort haben. | ÖVP wirft SPÖ fehlende Pakttreue vor. | Verlängerung der Hacklerregelung ebenfalls unsicher. | Wien. Erst am vergangenen Donnerstag wurde die Einigung zur Pensionssicherung von der Regierung stolz präsentiert. Gehalten hat sie gerade einmal bis Sonntag. Da nämlich tagte das eilends einberufene SPÖ-Parteipräsidium und kippte den Entwurf, der eigentlich morgen, Mittwoch, im Ministerrat beschlossen werden sollte.
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Knackpunkt aus SPÖ-Sicht ist die sogenannte Pensionsautomatik, im roten Jargon "Berichtsautomatismus". Dieser sieht vor, dass, wenn die Lebenserwartung steigt und gleichzeitig die Einnahmen der Pensionsversicherung sinken, Sozial- und Wirtschaftsminister per Verordnung an der Leistungsschraube drehen (siehe Grafik).
Soweit der mit der ÖVP vereinbarte Plan. Allerdings hat die SPÖ-Spitze, allen voran Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Sozialminister Erwin Buchinger, die Rechnung ohne die Partei gemacht. Diese pfiff am Sonntag, angeführt von SPÖ-Pensionisten-Chef Karl Blecha, das Duo zurück. Nicht die Minister, sondern die Parlamentarier sollen künftig das letzte Wort haben, wenn es um die Pensionsanpassung geht, lautet nun die SPÖ-Forderung.
"Was hat Gusenbauer überhaupt zu sagen?"
Sichtlich verstimmt reagiert die ÖVP auf diesen Schwenk. "Wer dieses Paket aufschnürt, stellt das Paket insgesamt in Frage", also auch die ebenfalls vereinbarte Verlängerung der Hacklerregelung, warnt Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Dem Koalitionspartner wirft die ÖVP "mangelnde Pakttreue" vor, beim Kanzler orten die Schwarzen fehlende Führungskraft. "Wir müssen uns fragen, mit wem wir in Zukunft noch etwas paktieren und ausmachen können", sagt Umweltminister und ÖVP-Regierungskoordinator Josef Pröll am Montag im Ö1-"Mittagsjournal". "Die zentrale Frage dahinter lautet: Was hat Alfred Gusenbauer überhaupt noch zu sagen?"
Mit eventuellen Diskussionen um die Person Gusenbauers habe das alles gar nichts zu tun, heißt es aus der SPÖ. "Auch wenn sie es gerne hören würden, es hat keinen einzigen Kritikpunkt gegeben", hatte der Kanzler schon am Sonntag nach dem Präsidiums-treffen betont.
Tatsächlich aber dürfte sich die Zahl der Gusenbauer-Treuen in der SPÖ mittlerweile eher bescheiden ausnehmen. Einer, der seinem Parteichef die Stange hält, ist Bundesgeschäftsführer Josef Kalina. Und der blies am Montag zum Gegenangriff auf die ÖVP. Wenn diese die Letztentscheidung durch das Parlament ablehne, dann sei sie undemokratisch. Inhaltlich bekenne sich die SPÖ "voll und ganz" zum vereinbarten Paket, auch zur Automatik. Allerdings nicht zu einer Anpassungs-, sondern zu einer Berichtsautomatik, einem Vorwarnmechanismus, der in Kraft tritt, wenn sich die Bedingungen für die Pensionen ändern.
Kein Problem hat Kalina damit, dass der Koalitionspartner nun nicht mehr vor dem Ministerrat am Mittwoch darüber verhandeln will. Das sei "kein Drama", die SPÖ-Forderungen könnten auch noch bei der parlamentarischen Behandlung eingebaut werden.
Wie die SPÖ das Parlament einbinden will, steht übrigens noch nicht fest. Möglich wären zwei Varianten: Eine Verordnung des Ministers könnte entweder vom Hauptausschuss beschlossen werden oder eine gesetzliche Regelung vom Sozialausschuss und dann vom Plenum des Nationalrates verabschiedet werden.
Kritik an den Änderungswünschen der SPÖ übte der Sozialrechtsexperte Theodor Tomandl: "Das ist die Ablehnung jeder Änderung." Für ihn bedeutet das einen Rückschritt in die Zeit vor der letzten Pensionsreform. Unterstützung erhielt die SPÖ hingegen vom Verfassungsexperten Heinz Mayer. Er gab zu bedenken, dass eine allfällige Erhöhung des Frauenpensionsalters mittels Verordnung nicht möglich wäre, da das ungleiche Pensionsantrittsalter von Männern und Frauen im Verfassungsrang verankert sei.
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