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Konzerte zum Mitsingen. Fünf Minuten Ruhm beim Auftritt in Talentshows im Fernsehen. Lesungen eigener Dichtung beim Poetry-Slam. Von eigenen künstlerischen Darbietungen auf sozialen Plattformen ganz zu schweigen. Das Publikum drängt auf die Bühne. Auf deren Größe kommt es dabei nicht an. Keine ganz neue Entwicklung, aber eine stetige. Und eine, auf die Veranstalter nach und nach reagieren.
Das Wiener Konzerthaus etwa hat ein neues Format entwickelt. Nach Sing-Alongs, bei denen das gesamte Publikum im Saal eingeladen ist, mit den Profis auf der Bühne ohne Vorbereitung mitzusingen, erobern Zuhörer jetzt die Bühne. Als Mitwirkende.
Bei den Karten für Bachs "Matthäuspassion" Anfang März gibt es neben den gängigen Kategorien auch eine, die sich "Stage-Cards" nennt. Mit ihnen sichert man sich einen Platz im Chor. Notenstudium und drei Proben sind Pflicht. Und die Mitwirkung beim Konzert mit der Singakademie natürlich. Schwarz gekleidet.
Der Erfolg lässt sich sehen. Die gut 350 Karten für den Publikums-Chor sind so gut wie ausverkauft. Da haben nur noch Tenöre Chancen. Für das Konzert selbst gibt es noch Karten. Die Mitwirkenden sind offenbar auch dem Alter entwachsen, in dem stolze Elternaugen jeden öffentlichen Auftritt gerührt verfolgen.
Jeder ist ein Künstler. Und will das auch zeigen. Also nicht nur in der Badewanne der Star sein, sondern auch auf der Bühne.
Keine Frage: Kunst braucht Öffentlichkeit. Und damit Publikum. Alles andere ist Heimwerken. Wenn aber alle auf der Bühne stehen, wer sitzt dann noch im Publikum?