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Neben dem Personal sind im Koalitionsverhandlungsfinale auch weniger Krankenkassen Thema.
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Wien. 1400 Seiten der Studie der London School of Economics legten es nahe; die Industriellenvereinigung monierte es in Bezug auf eine IHS-Studie und auch die Wirtschaftskammer legte Zahlen vor: Im österreichischen Sozialversicherungssystem gibt es Effizienzpotenzial - zum Sparen oder auch, um mehr Leistungen für die Versicherten zu finanzieren.
Genau das wollen ÖVP und FPÖ auch mit einer Reduktion der Sozialversicherungsträger erreichen. Wie das künftige Modell aussehen wird, wollte am Donnerstag keiner der Koalitionsverhandler konkretisieren. Was aber bestätigt wurde, ist: Anders als bei anderen, liegt bei diesem Thema das fertige Vorhaben noch nicht auf dem Tisch. Die Konzentration der Sozialversicherungsträger ist im Finale der Koalitionsverhandlungen noch im Gespräch.
Fünf-Kassen-Modell(e)
Aktuell gibt es mehr als 21 Sozialversicherungsträger, die laut Prognose des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger heuer insgesamt mit einem Minus von elf Millionen Euro abschließen dürften. Die Bilanz hat sich folglich gegenüber dem Jahr 2016 deutlich verschlechtert, da hatten die Kassen noch ein Plus von 113 Millionen Euro zu verbuchen.
Die Wirtschaftskammer schlug fünf Kassen als Modell vor: Dabei würden alle neun Gebietskrankenkassen zu einer Unselbständigenkasse zusammengelegt werden. Auch die Sozialversicherungsanstalten der Bauern und der gewerblichen Wirtschaft würden zu einer verschmelzen. Die Unfallversicherungsanstalt AUVA und die Pensionsversicherungsanstalt PVA blieben bestehen.
Die Vertragsbediensteten unter den Eisenbahnern und im Bergbau wären in der Unselbständigenkasse versichert, die Beamten dieses Bereichs würden zur Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter wandern.
Da könnte man im Übrigen auch die Krankenfürsorgeanstalten eingliedern, darunter kleine, aber auch große, wie jene der Landesbediensteten der Stadt Wien. Vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl war übrigens schon zu hören, dass man sich bei mehr Kompetenz im Bildungsbereich durchaus weniger im Bereich des Gesundheitswesens vorstellen könne. Vom Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner war am Donnerstag aber nochmals zu hören, dass die Entscheidungsgewalt über das Geld der Vorarlberger Gebietskrankenkasse im Land bleiben müsse.
Für Martin Gleitsmann, den Wirtschaftskammer-Experten für Soziales und das Gesundheitswesen, ist "mehr Konzentration im Sozialversicherungssystem eine gute Voraussetzung dafür, Effizienzen im System zu heben, um bessere Leistungen anbieten zu können", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Auch Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer hält fünf Kassen anstelle von mehr als 20 für sinnvoll. Bei seinen fünf bliebe jene für Eisenbahn und Bergbau bestehen, dafür würden Einnahmen und Leistungen der AUVA in den Kassen für Selbständige und Unselbständige aufgehen. Weniger, dafür stärkere Gegenüber mit mehr Versicherten im Hintergrund bei Verhandlungen mit Ärzten könnte für die Kassen zu günstigeren Verträgen führen.
Bei Leistungen ansetzen
Pichlbauer sagt allerdings, dass weniger Kassen nur dann sinnvoll sind, wenn eine einheitliche Abrechnung der Leistungen nicht nur den Bereich der niedergelassenen Ärzte, sondern auch den Ambulanzbereich der Krankenhäuser betrifft. "Da geht es um 1,2 Milliarden Euro, also um zehn Mal so viel Geld wie einheitliche Kostenbeteiligungen für Zahnspangen. Das ist dagegen nur politische Show." Tatsächlich bemühen sich die Kassen bereits um eine Leistungsharmonisierung. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat dazu 23 dafür geeignete Bereiche definiert, vom einheitlichen Kostenersatz für FSME-Impfung über Physiotherapie und tatsächlich auch Zahnbehandlungen.
Bei drei Prozent Kosten in der Verwaltung und 97 Prozent für Leistungen im Sozialversicherungssystem würde IHS-Gesundheitsexperte Thomas Czypionka aber trotzdem die Erstellung eines einheitlichen Honorarkatalogs für Leistungen als prioritär gegenüber einer Kassenzusammenlegung sehen. "Das ist der Hebel, erst dann kann man eine intelligente Verwaltung aufsetzen", sagt er. Ohne Leistungsangleichung und bei gleichem Personal würden weniger Kassen kaum Effizienz bringen.
Es könnte auch eine Reform in Schritten sein: Im ersten die einheitliche Leistung, im zweiten die Reduktion der Kassen und damit auch erst die Verhandlung über die Kompetenzen - auch mit den Bundesländern.