Windkraftanlagen als Lagerort und Produzent von "Öko"-Treibstoff.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Berlin. Autofahrer und Reedereien haben das gleiche Problem: Die Preise für den Treibstoff klettern hinauf. Der Straßenverkehr hat aber einen Vorteil, weil dort der Gesetzgeber eine Umstellung auf weniger umweltschädliche Treibstoffe schon durchgesetzt hat. So ist in der EU verbleites Benzin bereits seit 2000 verboten.
Die Reedereien jedoch stecken mitten in der Umstellung auf sauberere und damit teurere Kraftstoffe. Dieses doppelte Drehen an der Preisschraube aber könnte sogar dazu führen, dass die Flotten schneller auf weniger klimaschädliche Treibstoffe umrüsten als der Straßenverkehr. In weltweit geltenden Standards schreibt die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO vor, dass Schiffe ab 2020 nur noch Treibstoff bunkern dürfen, der höchstens ein halbes Prozent Schwefel enthält. In einigen Meeresregionen wie der Nord- und Ostsee ist schon ab 2015 Marinedieselöl vorgeschrieben, das nur noch ein Zehntel Prozent Schwefel enthält.
Damit will die IMO offiziell nur die Luftverschmutzung durch Schwefelverbindungen in den Schiffsabgasen drosseln, die für sauren Regen sorgen und die Gesundheit der Menschen angreifen. Gleichzeitig aber werden die schwefelarmen Treibstoffe so teuer, dass Alternativen konkurrenzfähig werden, die weniger oder gar keine Treibhausgase mehr in die Luft blasen.
Eine Möglichkeit ist flüssiges Erdgas, "Liquid Natural Gas" (LNG). Normales Erdgas wird bei minus 162 Grad Celsius flüssig und kann dann in speziellen Tanks Verbrennungsmotoren antreiben. Autos mit einem solchen Erdgas-Antrieb sind seit einigen Jahren unterwegs. Da in Norwegen sehr viel Gas gefördert wird, wurden dort fast ein Dutzend Personenfähren auf LNG umgerüstet. Nach Deutschland hat diesen Antrieb der Germanische Lloyd geholt, der nicht nur eine Art technischer Überwachungsverein für Schiffe ist, sondern Dienstleister in den Bereichen erneuerbare Energien, sowie Öl und Gas.
99 Prozent weniger Feinstaub
Auf dem Deck des norwegischen Schiffes Bit Viking installierten die Ingenieure zwei große Tanks für je 500 Kubikmeter LNG und legten Rohrleitungen in den Maschinenraum. Der Antrieb wurde überholt und so umgebaut, dass die Maschinen mit Schweröl und flüssigem Erdgas gleichermaßen laufen. Seit 25. Oktober 2011 ist die Bit Viking damit unterwegs und transportiert zwischen Oslo und Kirkenes im äußersten Norden Norwegens Chemikalien. Da LNG keinen Schwefel enthält, hat die Reederei Tarbit Shipping mit den IMO-Auflagen keine Probleme. Ebenso sinkt der Ausstoß von Stickoxiden um 90 Prozent, die Feinstaubemissionen verringern sich um 99 Prozent. Vor allem aber blasen die Erdgas-Maschinen 20 bis 25 Prozent weniger Treibhausgase in die Luft als ein herkömmlicher Antrieb.
Noch ist LNG teurer als Schiffsdiesel. Doch könnte sich das schon bald ändern, wird vermutet. Dann dürfte das flüssige Erdgas günstiger sein. Zur Zeit hat LNG aber noch zwei Nachteile: Bisher gibt es nur in Norwegen Lagertanks. Obendrein strömt aus dem Schornstein zwar deutlich weniger, aber immer noch eine beträchtliche Menge des Treibhausgases Kohlendioxid. Das ließe sich im Prinzip ändern, wenn solche Schiffe ihren Sprit gleich bei den Windenergieanlagen bunkern, die weit draußen vor den Küsten errichtet werden. Diese laufen häufig mit verringerter Leistung oder werden ganz abgeschaltet, wenn weniger Strom benötigt wird und die Stromspeicher keine Kapazität mehr frei haben.
Würden die Windräder durchlaufen, könnten bis zu 30 Prozent mehr Windenergie ohne extra Kosten geerntet werden. Gleich vor Ort könnte der überschüssige Strom in Elektrolysezellen, die umgekehrt wie Brennstoffzellen funktionieren, aus Wasser Wasserstoff machen. In einem zweiten Schritt reagiert dieser Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Methan, das der Hauptbestandteil von
herkömmlichem Erdgas ist. Kohlendioxid wiederum könnte in Kohle- oder Biomasse-Kraftwerken abgeschieden werden. Dann bläst aus dem Schiffskamin die gleiche Menge Kohlendioxid wie für die Herstellung dieses nachhaltigen Erdgases aus der Luft geholt wurde.
Windparks der Sonderklasse
Allerdings kann man sich den kosten- und energieintensiven Umweg über LNG auch sparen. Die Ingenieure des Germanischen Lloyd haben nämlich bereits ein Konzept für ein Containerschiff entwickelt, das den aus überschüssiger Windenergie gewonnenen Wasserstoff direkt als Schiffsantrieb verwendet. In einem solchen Schiff wandeln Brennstoffzellen Wasserstoff und Sauerstoff in Wasser um und liefern dabei eine elektrische Leistung von fünf Megawatt für den Antrieb. Der Sauerstoff kommt wie bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren aus der Luft. Ähnlich wie LNG wird auch der Wasserstoff verflüssigt und könnte so erst einmal in Tanks in der Nähe der Windkraftanlage gelagert werden. Schon ein 500 Megawatt-Windpark könnte so jedes Jahr zehntausend Tonnen Flüssigwasserstoff herstellen. Diese Menge reicht, um fünf kleinere Containerschiffe anzutreiben.
Bis 2020 sollen in Deutschland Off-Shore-Windparks mit einer Leistung von 3000 Megawatt entstehen. Die Brennstoffzellen und Spezialtanks machen die Schiffe zwar um 60 Prozent teurer als ein konventionelles Fahrzeug. Trotzdem sollte das Konzept zwischen 2020 und 2030 gewerblich interessant werden, meint Pierre Sames vom Germanischen Lloyd.