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Wenn es nach Justizminister Dieter Böhmdorfer und ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter geht, soll analog zur Senkung der Volljährigkeit von 19 auf 18 Jahre ab 1. Jänner 2000 - das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2000 soll am 29. August im Ministerrat behandelt werden - auch die Strafmündigkeit gesenkt werden. Experten warnen und sprechen von einer "Abkopplung von der europäischen Entwicklung", wo ein Heranwachsendenstrafrecht bis zum 21. Lebensjahr vorgesehen ist.
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Fekter bezeichnete die Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 18 Jahre am Freitag gegenüber der Austria Presseagentur als "fix". "Vielleicht" werde es aber "mildernde Begleitmaßnahmen" geben. Allerdings erklärte die ÖVP-Justizsprecherin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass im Oktober dazu eine Expertenenquete ("Strafrelationenenquete") abgehalten werde. Die Meinung der Experten sollte demnach Berücksichtigung bei einer allfälligen Novelle zum Jugendstrafgesetz finden.
Justizminister Dieter Böhmdorfer, der bisher immer darauf verwiesen hatte, dass Änderungen bei einer derart sensiblen Materie nur im Konsens erfolgen sollten, reagierte am Freitag auf die Ankündigung der ÖVP-Justizsprecherin positiv: Der Justizminister hält eine Absenkung der Altersgrenzen der Strafmündigkeit von 19 auf 18 Jahre analog zur Großjährigkeit für sinnvoll. Damit würde für junge Erwachsene eine "klare und nachvollziehbare einheitliche Altersgrenze geschaffen, ab der sie für alle ihre Handlungen vollständig selbst geradestehen müssen", heißt es in einer Stellungnahme des Ministerbüros. Sie seien damit künftig ab Vollendung des 18. Lebensjahres einerseits zivilrechtlich voll handlungsfähig und für ihre Taten haftbar - und auch strafrechtlich Erwachsenen gleich gestellt.
Vertretbar sei die Absenkung auch angesichts der Einführung der Diversion, also von Außergerichtlichem Tatausgleich, Geldbußen, gemeinnütziger Arbeit u.ä. Damit bestünden jetzt auch im Erwachsenenstrafrecht "ausreichende Differenzierungsmöglichkeiten, um bei Straftaten, die mehrheitlich auf jugendliche Unbesonnenheit zurückzuführen sind, auf die Umstände des Einzelfalles einzugehen", heißt es in der Stellungnahme.
Außerdem sollen die im Strafgesetzbuch vorgesehenen Erleichterungen einheitlich bis zur Altersgrenze von 21 Jahren gewährt werden und die Zuständigkeit für Strafverfahren gegen unter 19-Jährige beim Jugendgerichtshof bleiben.
Fekter hingegen erklärte, dass 18- bis 21-jährige weiterhin vor den Jugendgerichtshof kommen, der dann aber Erwachsenenstrafrecht anzuwenden habe.
Justizministerium arbeitet an Strafrecht für junge Menschen
Im Justizministerium wird derzeit an einem Entwurf zur Änderung des Jugendstrafrechtes gearbeitet, wie die "Wiener Zeitung" bereits berichtete. Darin sollen für junge Erwachsene - im Alter zwischen 18 und 21 Jahren - Erleichterungen gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht festgelegt werden. Gedacht ist etwa an eine Ausdehnung der Bewährungshilfe und der Diversion. Das Jugendstrafgesetzbuch (JStGB) gilt derzeit vom 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Sollte es zu einer Herabsetzung der Strafmündigkeit mit Vollendung des 17. Lebensjahres kommen, würden mit einem Schlag die Hälfte aller Jugenddelikte ins Erwachsenenstrafrecht fallen. Denn die Hälfte aller Anzeigen des Jugendgerichtsbereiches betrifft derzeit die 18jährigen. Die Änderung hätte damit enorme Tragweite.
Helige: Konsequenzen nicht unterschätzen
Mit der Absenkung des Strafmündigkeitsalters von 19 auf 18 Jahre würde sich Österreich von der europäischen Entwicklung abkoppeln, warnt die Präsidentin der Richtervereinigung, Barbara Helige. Man sollte "die Konsequenzen einer derartigen Maßnahme nicht unterschätzen". Die Möglichkeiten des Jugendstrafvollzugs würden die Rehablitieungs-
chancen wesentlich besser gewährleisten als der Erwachsenenvollzug. Die Absenkung könnte "in letzter Konsequenz die Gesellschaft sehr teuer kommen, weil die Möglichkeiten der Rückführung in die Gesellschaft nicht mehr genützt werden". Sie hielte ein "Heranwachendenstrafrecht" für sinnvoll.
"Die Jugendkriminalität steigt, wenn das soziale Umfeld nicht stimmt und nicht deshalb, weil man das Jugendstrafrecht anwendet", so Helige. Die Bekämpfung der Jugendkriminalität müsse "im sozialen Umfeld stattfinden. "Sie funktioniert nicht, indem man nur die Strafen erhöht." Durch eine Senkung der Strafmündigkeit, würden nur "die Delikte von einer Gruppe in die andere verschoben."
In vielen anderen EU-Staaten seien und würden Möglichkeiten geschaffen, um auch Straftaten "älterer Jugendlicher" noch nach dem Jugendstrafrecht beurteilen zu können. Um sich davon abzukoppeln, müsste man schon eine "sehr zwingende Begründung" haben, "und die ist derzeit nicht ersichtlich", meinte Helige.
Europaweiter Trend zu Heranwachsendenstrafrecht
Laut einer Studie des Max Planck-Institutes geht die Entwicklung in Europa dahin, jugendstrafrechtliche Sonderregelungen auch für volljährige Heranwachsende anzuwenden. Spanien etwa hat im Vorjahr die deutsche Regelung übernommen, wonach von 18 bis 21 Jahren der Jugendrichter entscheidet. In Holland wurde die Altersgrenze vor kurzem auf das 21., in Schweden auf das 20. Lebensjahr - das auch in Griechenland gilt - angehoben. In der Schweiz wird die Anhebung des "Heranwachsendenalters" auf 25 erwogen. Diese Anhebungen beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Demnach folgt der Pubertät eine "Adoleszenz-Krise". Wirkliches Erwachsensein - mit einer "gewissen Konsolidierung", also fester Beziehung und festem Job - wird mit 24 bis 25 angesetzt.
"Wenn man Jugendliche ab 18 als Erwachsene betrachtet und ihnen alle Rechte einräumt, dann gehören auch die Pflichten und die Verantwortung, dass man sich gesetzeskonform verhält, dazu", begründet Fekter die Herabsetzung der Strafmündigkeit. Im übrigen sei der einzig wirkliche Unterschied die Halbbemessung der Strafen für Jugendliche, das könne aber durch die Flexibilität der Richter ausgeglichen werden. Außerdem verwies Fekter gegenüber der "Wiener Zeitung" auf die Möglichkeiten der Diversion. Allerdings: "Wenn eine Tat nicht mehr diversionell behandelt werden kann und besondere Milderungsgründe nicht anwendbar sind, geht es nicht mehr um Jugendtorheiten." Dann sollte der Richter die Strafen des Erwachsenen-Rechts verhängen können, meinte Fekter.
Jarolim gegen Kriminalisierung junger Menschen
Gegen die geplante Herabsetzung der Strafmündigkeit von 19 auf 18 Jahre ist SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. "Allein aus Law-and-Order-Überlegungen heraus jungen Menschen partout das mildere Jugendstrafrecht zu nehmen und so möglicherweise das weitere Leben zu zerstören, ist entschieden abzulehnen", meinte er Freitag im Pressedienst der SPÖ. Die VP-FP-Regierung betreibe damit "ideologisch motivierte Justizpolitik".
Das Jugendstrafrecht sei ein angemessenes und bewährtes Instrument. Mit einer Herabsetzung würde "die bewährte Praxis verlassen und Expertenwissen ignoriert". Jarolim verschließt sich aber einer sachlichen Diskussion nicht. Er kann sich ein neues "Heranwachsendenstrafrecht" neben dem Jugendstrafrecht vorstellen.