Die Piraten eilen von Erfolg zu Erfolg, leiden aber unter ihrem Dilettanten-Image.
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Wien. Wenn einen der "Spiegel", mit einem - wenn auch nicht unbedingt schmeichelhaften - Cover adelt, hat man es in Deutschland zweifellos zu gesellschaftlicher Relevanz gebracht. Und auch der Einzug in drei deutsche Landtage sowie Umfragewerte, die die Grünen besorgt dreinblicken lassen, sprechen eine eindeutige Sprache. Doch die von Erfolg zu Erfolg stürmenden Piraten sind vor allem eines: eine Protestpartei, die stark vom Neuigkeitseffekt profitiert. Vor allem Jungwähler, ehemalige Nichtwähler und Menschen, die den etablierten Parteien einen Denkzettel verpassen wollen, sind es, die nach den Beobachtungen der Wahlforscher den Piraten ihre Stimme geben. Überzeugt sind die Wähler von den Freibeutern nicht unbedingt.
Wobei es die Piraten den Wählern bisher nicht immer leicht gemacht haben. Ein Parteiprogramm existiert nur in Bruchstücken, die dort formulierten Ziele - Verteidigung der Bürgerrechte, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Teilhabe - sind in weiten Bereichen noch ohne konkrete Inhalte. Immer wieder überraschen die Piraten bei Talkshows mit der Aussage, dazu müsse man sich erst noch eine Meinung bilden. "Avanti Dilettanti" lautete dementsprechend auch der Titel des "Spiegel"-Aufmachers, der die Unprofessionalität und Orientierungslosigkeit der unkonventionellen Neo-Partei vor den Vorhang zerrte.
Doch die oft als bunte Vögel oder Internet-Nerds verschrienen Piraten bieten mittlerweile auch Konkretes. So stehen sie für ein bedingungsloses Grundeinkommen und das Prinzip der absoluten Transparenz in jeglichem Politikfeld. Am ausgereiftesten sind die Ideen der Piraten aber nach wie vor in der digitalen Welt, jenem Bereich, in dem die Wurzeln der Partei liegen und der noch immer im Vordergrund steht. Die Bewegung, die Mitte des vergangenen Jahrzehnts in Schweden rund um die Debatte über Musiktauschbörsen entstand, tritt für ein freies Internet und die Abschaffung des Urheberrechts ein. Die Piraten, denen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag sieben Prozent vorhergesagt werden, sind aber vor allem ein deutsches Phänomen. Selbst im Mutterland Schweden sind sie nicht so erfolgreich.