Gusenbauer referierte vor blauem "Liberalen Klub" über die Krise. | Exquisite Tour d´horizon ohne Seitenhiebe. | Wien.Der Abend versprach Unterhaltungswert, hatte doch der freiheitliche "Liberale Klub" - Präsident ist FPÖ-Justizsprecher Peter Fichtenbauer - niemand Geringeren als Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zum Vortrag gebeten. Manch einen mag da am Dienstag die Vorfreude auf kleine Seitenhiebe ins Wiener Hotel Imperial getrieben haben, immerhin bewiesen gerade die Wahlen in Kärnten und Salzburg, dass die Niederlagenserie der SPÖ nicht nur eine Frage der Person an der Spitze gewesen sein kann.
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Und wahrscheinlich hätte der Ex-Vorsitzende der Sozialdemokratie auch viel über die Begleitumstände seiner Ablöse zu erzählen. Doch Gusenbauer agierte als Gentleman ohne Bedürfnis, Schmutzwäsche zu waschen: "Wenn man nur mehr erste Reihe fußfrei sitzt, sollte man auf Zwischenrufe an die Nachfolger verzichten."
Stattdessen absolvierte der Ex-Kanzler, der seine Lehrtätigkeit an zwei US-Universitäten aufgenommen hat und hauptberuflich als EU-Referent der NÖ Arbeiterkammer werkt, gutgelaunt einen pointierten 25-minütigen Galopp über mögliche Folgen und Auswege aus der globalen Wirtschaftskrise. Da störte es auch nicht, dass er das angekündigte Thema "Das Bundeskanzleramt - Dimensionen und Grenzen der politischen Gestaltungsmöglichkeit" elegant beiseite schob.
Für Gusenbauer geht es nun darum, Krieg und eine Revolution im größeren Stil, die historisch stets mit solchen Krisenzeiten einhergegangen seien, zu vermeiden. Möglich sei dies nur, wenn alle Akteure gemeinsam und konzertiert Gegenmaßnahmen setzen würden. Aber selbst dann sei mit sozialen Unruhen und politischer Destabilisierung fix zu rechnen - erste Anzeichen hierfür sind für Gusenbauer bereits jetzt erkennbar: "Der Siegeszug der liberalen Demokratie gerät unter enormen Druck."
Neue Machtverteilung
Gemeinsames Vorgehen verlange jedoch nach einer neuen Machtverteilung in Institutionen wie Weltbank oder Währungsfonds - ohne Mitspracherecht hätten Länder wie China oder finanzstarke arabische Staaten keinen Anreiz, der taumelnden Wirtschaft des Westens zu helfen.
Mit Blick auf Europa rechnet Gusenbauer, dass die EU gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. Kritisiert wird von ihm jedoch das "undifferenzierte Gerede von einer Ost-Europa-Krise - die gibt es nicht." Die Länder der Region seien zu heterogen, um über einen Kamm geschoren zu werden.
Einblick in das Innenleben der heimischen Politik gewährte der Ex-Kanzler erst am Ende, als er von einem Erlebnis mit einem Landeshauptmann erzählte: Es ging um die Bildungskompetenz. Eine gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Ländern erschien ihm, Gusenbauer, wenig zielführend, weshalb er vorgeschlagen habe, diese entweder zur Gänze dem Bund oder den Ländern zu überlassen. Der Landesfürst protestierte gegen eine solche "Flurbereinigung", da dies auch die Kontrolle festgesetzter Bildungsstandards durch den Bund bedeuten würde. Und statt durch
die Kompetenzbereinigung Geld zu sparen, hätte der Landespolitiker auch noch mehr Mittel gefordert.