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"Volunteer Buttons" und Visionen

Von Konstanze Walter aus Charlotte

Politik

In der "Time Warner Cable Arena" wird jeder Schritt kontrolliert.


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Charlotte. Normalerweise muss der weißhaarige Donald bei seinen Schichten nur fünf Stunden in der "Time Warner Cable"-Arena als Aufsichtsperson herumstehen. Denn so lange dauert normalerweise ein Spiel der Charlotte Bobcats, des örtlichen Basketball-Vereins und Betreibers der Arena. Doch auch die Zwischenmieter - Konzerte sowie Eishockey im Winter - dauern kürzer als das jetzige Mega-Event: Die Democratic National Convention, deren offizielles Programm drei Tage dauert. Am ersten Tag schiebt der 73-jährige Donald eine 16-Stunden Schicht. "Und wenn der Präsident persönlich kommt, wird es sicher nicht besser", scherzt der ehemalige Rentner, dem die Ärzte geraten haben, wegen seiner Krebsdiagnose nicht zuhause herumzusitzen, sondern möglichst "aus dem Haus zu kommen. Unter Menschen zu kommen. Für das Geld mache ich diesen Job sicher nicht", sagt Donald. Die kürzeren Basketball-Spiele und deren Besucher sind ihm deutlich lieber als die Delegierten und Journalisten, die sich aufgeregt in die Halle schlängeln, und wieder hinaus - kurz etwas essen, kurz telefonieren. Und wieder hinein.

In den vier Ebenen um das Zuschauer-Oval herum wird haarklein kontrolliert, wer in welches Gebiet darf. Fünf Farben entscheiden: Gelb, hellgrün, dunkelgrün, rot, lila - das macht auf dem Berechtigungspass einen Riesenunterschied. Nicht nur, wo man sein darf, sondern auch, durch welche Tür man durchgehen darf um in den exakt selben Bereich zu kommen. "Wer sich diesen Ort ausgesucht hat, kann nicht ganz dicht sein", erklärt ein CNN-Mann, der an der Enge des Raumes verzweifelt. Zwischen 100 und 200 Personen sind alleine von CNN live vor Ort - von politischen Kommentatoren wie Wolf Blitzer bis hin zu den Technikern und eigenen Security-Leuten. Der omnipräsente Fernsehkanal hat sich in drei Boxen eingemietet, mit direkter Sicht auf die Bühne, wo der Spitzenkandidat und US-Präsident Barack Obama persönlich auftreten und das Wahlvolk mobilisieren wird.

In der Arena dürfte das nicht besonders schwierig sein: Es sind ausschließlich glühende Demokraten hier. Über 60.000 Delegierte aus den 50 Bundesstaaten (und sogar ein paar von den im Ausland organisierten "Democrats Abroad") sind gekommen. Auch wenn in den Vereinigten Staaten selbst immer öfter Kritik an den durchkoordinierten Parteitagen zu hören ist und sie zynisch "Beauty-Pageant" ("Schönheitswettbewerb) genannt werden, die ein absehbares Ergebnis haben, ist eines sicher: Zumindest keiner der angereisten Delegierten hält die Convention für entbehrlich. "Es ist unglaublich aufregend hier. Es ist noch viel aufregender, als ich es mir vorgestellt habe", kann Lindsay Lussan ihr Glück kaum fassen. Am Samstag ist die 30-jährige Delegierte aus Colorado mit ihrer Mutter, ebenfalls Anhängerin der Partei mit dem Eselsymbol, in Charlotte angereist. Alles in allem kosten Hotel, Flugticket und Ticket zur Convention 2500 Dollar. Zuhause, in Fort Collins, Colorado, arbeitet Lindsay in einem Restaurant. "Es ist nicht so, dass ich mir diese Summe einfach leisten könnte. Aber ich habe es zusammengespart und meine Familie hat mir Geld gegeben. Es ist schließlich eine einmalige Chance bei so einer Convention dabei sein zu können."

"Zuhören, dabei sein"

Von der Zusammenkunft in Charlotte erhofft sie sich, "energetisiert und mit neuen Ideen" herauszukommen. Sie glaubt auch, dass "Zuhören und Dabei-Sein hilft, die Botschaft klarer und deutlicher verstehen zu können". Das ist wichtig, denn in ihrer Freizeit arbeitet Lindsay an der Basis: das bedeutet in den USA vor allem: Klinkenputzen. Anläuten und versuchen, die Bewohner von der Botschaft Obamas auch heuer zu überzeugen. Colorado hat 2008 für die Demokraten gewählt, gilt aber als kritischer Swing State der dieses Mal zu den Republikanern wandern könnte. "Darum ist es gerade wichtig, die Leute zum Wählen zu bringen. Ich möchte die Welt zu einem besseren Ort machen. Es ist unglaublich, dass ich schon jetzt als junger Mensch, mit meinen 30 Jahren, die Gelegenheit dazu habe", sagt Lussan.

Jeder der hier ist, möchte die Welt verändern - oder zumindest den Status quo mit Barack Obama erhalten. Insgesamt 16.000 Freiwillige haben sich in Charlotte gemeldet, 4000 Menschen mehr, als tatsächlich gebraucht werden, hieß es von dem koordinierenden Komitee der Freiwilligen für die Convention. Damit steht jeden gefühlten halben Meter jemand mit dem "Volunteer"-Button auf der Kleidung. Einige erklären auf den verregneten Straßen, wo man wichtige Anlaufstellen findet, andere kontrollieren die Farben für die verschiedenen Ebenen und Bereiche im Center und wieder andere stehen neben den Mistkübeln und bewachen diese mit Argusaugen. Eine beiläufige Entledigung des Mists ist nämlich nicht erlaubt. Unter der Anleitung der Müll-Beauftragten wird jeder Kaffee-Becher auseinander genommen. Der Plastik-Deckel kommt in den Landfill-Kübel (also für Endlagerung), der Karton-Becher in den Kompost-Kübel.