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Vom Auffrischen der Winde

Von Manfred A. Schmid

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Alle reden vom Wetter. Auch die Nachrichtensprecher. Ich bin ja regelmäßig entzückt, wenn mir aus dem Radioapparat eine Meldung wie "Am späteren Nachmittag frischt der Nordwind auf" entgegentönt. Das tut gut. Insbesondere an so heiß-schwülen Tagen, wie wir sie zuletzt gehabt haben. Die versprochene Aussicht auf Abkühlung belebt die Sinne und verleiht einem die Kraft zur Mobilisierung der letzten Energiereserven, um die brütende Hitze in den nächsten Stunden - bis zum Auffrischen der Winde eben - einigermaßen zu überstehen. Doch mein Entzücken ist auch ästhetischer Art: Ich freue mich einfach an der zarten Poesie von Formulierungen wie "Cumulus-Wolken, die über den Himmel ziehen" und "ein Azoren-Hoch, das von den Britischen Inseln bis zum Ural reicht". Am Freitagvormittag freilich wich der Nachrichtensprecher auf Ö1 - neuerdings sind das ja die Redakteurinnen und Redakteure selbst - vom gewohnten Text ab: "Der Wind lebt auf", verkündete er forsch, und der Zauber der Posie war schon fast wieder dahin. Doch war das immer noch anmutiger als das, was kürzlich die Kollegin auf einer Privatradio-Frequenz anzubieten hatte: "Der Wind weht auf", lautete ihre Frohbotschaft, die mich trotz des verheißungsvollen Inhalts nicht so richtig froh stimmen konnte. Das ist Prosa, keine Poesie, möchte ich ihr auf diesem Wege mitteilen.

Frischer Wind kam am Freitag auch im Ö1-Essay um 9.45 Uhr auf und durchlüftete meinen Geist. Karl-Markus Gauß würdigte den "Bilderschriftsteller" Paul Flora anlässlich seines 80. Geburtstags. Was er z. B. über die Melancholie zu sagen wusste, möchte ich gerne nachlesen.