220.000 Türken wohnen und arbeiten in Österreich. Das Klischee vom wortkargen Hilfsarbeiter auf der Baustelle ist längst überholt.
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Kultur, Sport und Gebet: Insgesamt 186 türkische Vereine gibt es in Österreich, kaum ein Lebensbereich, der durch die Aktivitäten dieser Organisationen nicht abgedeckt wäre. Und die Türken nehmen Anteil am Vereinsleben: "80 Prozent der in Österreich lebenden Türken sind in dem einen oder anderen Zirkel organisiert", vermeldet Yavuz Kuscu, Präsident des Dachverbandes aller türkischen Vereine.
"Integration" lautet die Devise und gesellschaftliche Akzeptanz beginnt im Bildungsbereich. In den 60er-Jahren hätte es hier freilich trüb ausgesehen, sagt Kuscu. "Die ersten Türken, die nach Österreich gekommen sind, waren vor allem aus Ostanatolien, ein agrarisch-rückständiges Gebiet, wo nicht einmal Volksschulbildung allgemeiner Standard ist. Diese Defizite haben sich auf die zweite Generation übertragen." Die Hoffnungen liegen nun in der dritten Generation, die mittlerweile herangewachsen ist. "Hier gibt es viele, die bereits Jus, Medizin oder Wirtschaft studieren", weiß Özden Celik, Chefredakteur von "Radyo Merhaba", ein Kanal, der türkische Sendungen via Internet ausstrahlt.
Damit sind die Zeiten, als Türken fast ausschließlich als Hilfsarbeiter am Bau arbeitetet, allmählich vorbei. "Viele machen sich selbständig, gründen ein Geschäft", sagt Erol Yasemin, der selbst eine Boutique eröffnet hat und außerdem den Fußballverein Fenerbahce-Wien trainiert. Das sind Karrieren, die auch die türkische Getto-Bildung in manchen Wiener Bezirken auflösen wird, meint Yasemin. "Viele beginnen bereits, in Wien Häuser zu kaufen und siedeln sich am Stadtrand an."
Die Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei wird von den hier lebenden Türken jedenfalls ganz genau verfolgt. Dass alle vier Parlamentsparteien beim EU-Wahlkampf gegen einen solchen Schritt waren, bedauert Yavuz Kuscu. "Umfragen haben ergeben, dass die Mehrheit der Österreicher davor Angst hat", erklärt er diesen in Europa einzigartigen Umstand. "Bei Wahlen geht es eben um Stimmenmaximierung."