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Vom Brauchtumsträger ins Zentrum der Macht

Von Brigitte Pechar

Politik

Kurz übergibt Vorsitz der Jungen ÖVP an Schnöll. Dieser fordert im Interview ein Nachdenken über ein höheres Pensionsalter.


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Wien. ÖVP-Parteiobmann Sebastian Kurz gibt am Samstag seine Funktion als Chef der Jungen Volkspartei (JVP) offiziell ab. Bei einem JVP-Bundestag wird der bereits im Mai designierte Nachfolger Stefan Schnöll zum neuen Vorsitzenden der ÖVP-Jugendorganisation gewählt. Kurz war seit 2009 Chef der jungen Schwarzen. Zum Bundestag in Korneuburg werden rund 500 Besucher erwartet. Kurz soll dort mit allen Ehren verabschiedet werden.

"Wiener Zeitung": Die neue ÖVP ist nach dem Entwurf ihres Obmanns Sebastian Kurz eine Partei, in der die Bünde keine zentrale Rolle mehr spielen sollen. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, jedenfalls nicht, was die JVP betrifft. Vertreter von Ihnen sitzen an vielen zentralen Schnittstellen. Die JVP scheint zum Machtzentrum geworden zu sein. Ist das so?

Stefan Schnöll: Es stimmt, dass der Einfluss der JVP größer geworden ist - allerdings vor dem Hintergrund, dass er vorher nicht stark war. Die Listenerstellung ist früher ausschließlich nach Bündezugehörigkeit erfolgt. Das haben wir schon damals abgelehnt und das lehnen wir auch heute ab. Das sage ich auch als neuer Obmann eines Bundes. Es kommt auf die Qualifikationen an. Die Bünde spielen aber im Wahlkampf eine Rolle, weil da jeder seine Bevölkerungsgruppe ansprechen kann. Bei uns sind das die Jungen und das ist uns auch ganz gut gelungen, wenn man sich das Wahlergebnis anschaut. Wir haben 28 Prozent bei den unter 30-Jährigen erzielt. Das ist ein großer Erfolg, denn da waren wir schwach.

Merken Sie den Zuspruch auch bei der Mitgliederzahl?

Wir haben um die 105.000 Mitglieder, der Anstieg hat begonnen, als Kurz Staatssekretär wurde. Aber wir haben bei der JVP eine sehr hohe Fluktuation, weil die Mitgliedschaft ab 14 beginnt und mit dem 35. Lebensjahr endet. Was wir schon merken, ist der Zustrom in Wahlkampfzeiten. Zusätzlich wurden die Neuen Medien stärker, was uns als Jugendorganisation geholfen hat. Das merkt man stark bei den Vorzugsstimmen der Jugendkandidaten.

Wo steht die JVP gesellschaftspolitisch, in welchem Spektrum von links/rechts würden Sie sie einordnen?

Wir sind eine sehr stark ländlich geprägte Organisation. Viele haben wahrscheinlich die JVP-Wien im Hinterkopf, weil Sebastian Kurz von dort kommt, aber wir sind vor allem in den Gemeinden stark. Das durchschnittliche Mitglied ist Lehrling und lebt in einer Gemeinde. Das bedeutet, dass ganz andere Themen eine Rolle spielen: Lehre, Junges Wohnen. Wir tun uns schwer mit links/
rechts, aber wir haben sicherlich einen progressiveren Zugang als die anderen Bünde.

Die Junge ÖVP wurde bisher häufig nur als Festl-Veranstalter wahrgenommen, aber nicht als politische Kraft. Ist das jetzt anders?

Wir sind unter Sebastian Kurz politischer geworden. Wir organisieren nach wie vor viele Brauchtumsveranstaltungen, aber wir sind sicher viel politischer.

Sorgen Sie in der JVP auch für politischen Nachwuchs? Holen Sie Trainees?

Ja, das machen wir. Wir haben ein Mentoring-Programm, in dem aus jedem Bundesland ein Bursch und ein Mädchen geholt werden, die ein umfassendes Programm durchlaufen. Wir können direkt in Gemeinden andocken, das ist ein großer Vorteil. Bei anderen Parteien erfolgt das Recruiting meist über die Bundesorganisation.

Die Mitgliedschaft endet bei der JVP mit 35. Wo landet ein JVPler, wenn er älter wird?

In erster Linie im "Club 35". Den haben wir gegründet, weil wir gesehen haben, dass viele von uns dann nirgendwo andocken können, weil sie verschiedene Jobs hatten und nirgendwo zuordenbar waren. Wir können da viele auffangen, die wir sonst verloren hätten.

Was wünscht sich denn die JVP bei den jetzigen Regierungsverhandlungen?

Wir haben da einige konkrete Punkte, die wir auch im Regierungsprogramm sehen wollen. Dazu gehört beim Thema Junges Wohnen die Streichung der Grunderwerbssteuer und die Grundbuch-Eintragungsgebühr für das erste Eigenheim. Außerdem verlangen wir eine Attraktivierung der Lehre und Stipendien für die Meisterprüfung. Eine Meister- und Unternehmerprüfung kostet einige 1000 Euro. Das sollte - am Anfang zumindest für besonders gute Berufsschüler - abgedeckt werden. Außerdem wollen wir mehr Durchlässigkeit im Bildungsbereich.

Bei den Pensionen verlangen wir eine raschere Anhebung des faktischen Pensionsalters - das ist auch Konsens in den Koalitionsverhandlungen. Außerdem muss diese Regierung auch schon darüber nachdenken, das gesetzliche Pensionsalter zu erhöhen.

Wie beurteilen Sie die Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ?

Die Stimmung ist gut. Im Wahlkampf hat es natürlich einen Vertrauensverlust gegeben, aber man muss zueinanderfinden. Die Gesprächsbasis mit der FPÖ ist jedenfalls besser als jene mit dem Noch-Koalitionspartner SPÖ.

Wie sieht Ihre Zukunft aus, werden Sie in der Politik bleiben?

Ich bin fertiger Jurist und sehe das als Engagement auf Zeit. Aber ich bin für alles offen.