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23 Jahre ist es her, dass ein mit Jeans und Turnschuhen bekleideter Joschka Fischer zum hessischen Staatsminister für Umwelt angelobt wurde. Im Dezember 1985 war in Deutschland damit erstmals eine rot-grüne Koalitionsregierung Realität. Eine mittlere Sensation, immerhin galt Fischer vielen damals noch als Bürgerschreck, die Grünen-Bewegung bestand für konservativ eingestellte Bundesbürger vor allem aus zotteligen Randalierern.
Wie hoch das Aggressionspotential auch unter der politisch etablierten Linken war, belegt eine Aussage des damaligen hessischen SPD-Ministerpräsidenten Holger Börner: Sein hohes Staatsamt verbiete es ihm, Demonstranten "selbst eins in die Fresse zu hauen", meinte 1982 derselbe Börner, der im Jahr 1985 dann zähneknirschend den grünen Rädelsführer in seiner Regierung akzeptieren musste.
Damit war eine Entwicklung in Gang gesetzt, an deren Ende eine rot-grüne Koalition auf Bundesebene mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer als Protagonisten stand.
Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu beobachten, was sich derzeit in Hamburg zuträgt. Dort wird die Grün-Alternative Liste (GAL) erneut in einer Koalitionsregierung vertreten sein, diesmal aber mit der CDU als Partner. Es ist das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass ein derartiges Bündnis zustande kommt. Nachdem CDU-Bürgermeister Ole von Beust nicht mehr auf die FDP als Partner bauen konnte - die FDP hat in der Hansestadt den Einzug ins Parlament nicht geschafft - starteten schnell und undogmatisch Gespräche zwischen CDU und Grünen. Die Verhandler der Union zeigten sich dabei überraschend großzügig, waren auch zu weitgehenden Zugeständnissen bereit, nur um ein Zusammengehen mit der SPD zu vermeiden.
Die Frage ist nun, wie wahrscheinlich eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene geworden ist. Führende Grün-Politiker haben umgehend bestritten, dass das Hamburger Beispiel demnächst Schule machen wird - immerhin könnte ein allzu forsches Vorgehen wichtige Wählergruppen vergraulen.
Der grüne Fraktionsvize Jürgen Trittin machte aber deutlich, wie sich in den letzten Jahren die "Realos" gegen die "Fundis" durchgesetzt haben. Künftige weitere Bündnisse mit der CDU seien natürlich nicht auszuschließen, so Trittin. Wenn mit der Kanzlerin ein Mindestlohn oder der Atom-ausstieg zu machen seien, "warum soll ich dann nicht mit Frau Merkel koalieren?"
Trittin stößt auf offene Ohren: Als erster führender CDU-Politiker hat sich der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, für ein Zusammengehen mit den Grünen auch auf Bundesebene ausgesprochen.
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